KV 183 St. Joseph, Köln-Dellbrück

Die Sinfonie g-moll KV 183 wurde im Herbst 1773 vollendet, als Mozart als erzbischöflicher Konzertmeister in Salzburg tätig war. Dieses Werk eröffnet seinem sinfonischen Schaffen ein neues Kapitel lässt die innere Welt des damals noch ganz jungen Komponisten tiefer begreifen.
Das ist Mozarts erste Sinfonie in einer Moll-Tonart, wobei gerade die Tonart g-moll bei ihm in Verbindung mit dem Ausdruck von Leidenschaft, Leid und Schmerz charakteristisch ist. Nicht zufällig steht seine vorletzte, die berühmte Sinfonie No. 40 KV 550 auch in dieser Tonart, was eine inhaltliche Überbrückung zwischen diesen beiden Werken aufweist und von einer Entwicklung der entsprechenden Ideen und Bildern markant zeugt.

Bereits der Anfang des ersten Satzes (Allegro con brio) – das klar gestaltete viertönige Motiv g – d – es – fis – sorgt für spürbare dramatische Aufregung, deren Intersität überhaupt mit wenigen Werken Mozarts zu vergleichen ist. Ein Unisono der Streicher mit Oboen verleiht der Musik einen hohen Grad der Konzentration und Aussagekraft. Die stürmischen ersten vier Takte werden danach tutti (mit vier Hörnern!) entwickelt und emotional gesteigert, bis durch ein subito piano ein Kontrast auftritt, und auf dem Hintergrund der leise pulsirenden Viertel in den Streicher die Oboe-Stimme – einsam und etwas verloren – im oberen Register schwebt.
Mithilfe einer eingeschänkten, sogar eher kammerartigen Besetzung schafft Mozart eine äußerst klangfarbenreiche Partitur, wobei dazu noch seine Meisterschaft zählt, lebendige Dialoge zwischen einizelnen Intermentengruppen zu gestalten. Einen derartigen, unglaublich rührenden Dialog zwischen den ersten Violinen einerseits und den zweiten Violinen und Bratschen andererseits erlebt man nach dem kraftvollen Andrang in der Durchführung: leise und klagend klingen zahlreiche Seufzer-Motive, bittend, flehend – und werden vom fieberhabt drängenden viertönigen Anfangsmotiv abgelöst. Die höchste Aufregung herrscht bis zum ganzen Schluss Ton des Satzes und lässt hinter sich nach dem abrupten letzten Ton eine besondere Stille erleben – wie nach einem vorbeigezogenen Sturm.

Im zweiten Satz (Andante) schafft Mozart einen Kontrast: mäßig und getragen entfaltet sich das Thema in den Streichern, die seelische Ruhe durchdringt diese Musik und am Ende jedes Teils erleuchtet zart die obere Kante der Faktur durch die schwebenden Einsätze der Oboen. Außerdem schreibt der Komponist den ersten und zweiten Violinen den Gebrauch von Sourdine (Dämpfer) vor, was für einen besonders leichten und geheimnisvollen Klang sorgt.

Der dritte Satz (Menuetto) lässt die Leidenschaft des ersten Satzes allmählich zurückkehren. Durch die häufigen dynamischen Kontraste, die klare rhythmische Linie sowie die Rückkehr der Haupttonart g-moll erlangt die Musik wieder eine strenge dramatische Konzentration. Gegensatz dazu stellt das Trio dar – nur mit den Bläsern besetzt, etwas volkstümlich, eine Art leicheter Straßenmusik, die für einige Momente die Aufmerksamkeit vom sich steigernden dramatischen Geschehen ablenkt.

Im Finale (Allegro) erlebt man eine hinreißende Entwicklung. Schritt für Schritt entfaltet Mozart das thematische Material aus den ersten acht Takten, das wieder zuerst von den Streichern unisono vorgetragen wird. Kaum kann jemand von überwältigenden Kontrasten ungrührt bleiben: Unruhe, die zittern und das Herz schneller pochen lässt, gewaltige Ausbrüche von Enegie, Verzweilung, Hoffnung – und wieder unaufhaltbarer Puls der Dramatik. In keinem Ton – sei es auch in piano – spürt man Ruhe. Mozart, damals erst 17 Jahre als, hat in seiner Sinfonie eine unfassbare Bandbreite von emotionalen Zuständen und Bildern wiedergegeben, die man nicht künstlisch zu modellieren vermag: eine derartige Musik kann nur von demjenigen geschaffen werde, der all’ das selbst innerlich empfunden hat. Möge uns dieses ungewönliche, heutzutage noch ganz ungerecht im Schatten stehende Werk Mozarts Seele noch tiefer begreifen lassen.



KV 183, Sinfonie Nr. 25 g-moll
Orchester: Kammerorchester Bergisch Gladbach e.V.
Leitung: Dr. Roman Salyutov
Aufnahme am 22. Juni 2014 in der Kirche St. Joseph, Köln-Dellbrück

KV 183, Sinfonie Nr. 25 g-moll
KV 183, Sinfonie Nr. 25 g-moll, Allegro con brio
KV 183, Sinfonie Nr. 25 g-moll, Andante
KV 183, Sinfonie Nr. 25 g-moll, Menuetto
KV 183, Sinfonie Nr. 25 g-moll, Allegro