KV 199 Berg. Gladbach, Ratssaal Bensberg

W. A. Mozart, Sinfonie G-Dur KV 199 Aus einer Vielzahl der Sinfonien Mozarts finden relativ wenige große Verbreitung im Konzertleben: diese Melodien sind sehr populär und weltweit beliebt geworden. Aber die Vorstellung von Mozarts symphonischem Stil wäre unvollständig gewesen, sollten wir seine anderen Orchesterwerke nicht kennen, die häufig unverdient im Schatten stehen, aber viele interessante und erlebenswerte Merkmale aufweisen. Zu solchen Kompositionen zählt auch die Sinfonie G-Dur KV 199, die 1773 in der Reihe der sogenannten „Salzburger Sinfonien“ zur Welt gekommen ist. Sie stellt den kleinen symphonischen Zyklus dar und ist also dreisätzig angelegt. Mozart bevorzugt hier eine kammerartige Orchesterbesetzung: an der Aufführung sind nur Streicher, Flöten und Hörner beteiligt. Aber sogar bei einem dermaßen bescheidenen Ensemble zeichnet sich die Partitur durch Mozarts ideenreiche Fantasie und beeindruckende Meisterschaft bei der Behandlung orchestraler Klangfarben aus.

Bereits der Anfang des ersten Satzes (Allegro) erweckt eine klare Allusion zu einem der späteren Meisterwerke des Komponisten: die Sinfonie wird mit brillanten Akkorden in G-Dur eröffnet und erinnert an den Anfang „Einer kleinen Nachtmusik“ KV 525. Die Streicher gestalten eine aktive Bewegung, in deren Hintergrund verschiedene markante Musikdialoge zur Geltung kommen: da erklingen die Flöten im Wechsel mit den ersten Violinen, und hier antworten mit kurzen, aber deutlich hervortretenden Zwischenrufen die Hörner. Dem energischen ersten Thema folgt das zweite – im Piano, fein und graziös. Unerwartet dringen in der Mitte des Satzes ausgeprägt leidenschftliche und unruhige Töne ein, die Spannung steigert sich auffällig. Aber nach der Rückkehr des ersten Themas kann nichts den strahlenden freudigen Charakter dieser Musik mehr ändern – in diesen Jahren steht Mozart am Anfang der echten Blütezeit seiner Kunst und blickt der Zukunft erwartungs- und hoffnungsvoll entgegen.

Im zweiten Satz (Andantino grazioso) wirkt das Strichspiel faszinierend: mal gesangsvoll, mal tänzerisch, galant und sogar mit Humor klingen die aus vorwiegend kurzen charakteristischen Intonationen gestalteten Themen. Dabei findet der Komponist immer neue Klangfarben: so entwickelt sich ein Gespräch unter den beiden Violinen, begleitet von zarten Pizzicati in den Bratschen und Bässen, und plötzlich wird man überrascht durch den Horneinsatz, im Hintergrund dessen ausgaheltener Töne die leichten, mit Pausen unterbrochenen Motive in den ersten und zweiten Violinen einen unruhigen und sogar etwas atemberaudenden Eindruck vermitteln. Durch die bunten Kombinationen erscheint das ganze Geschehen in dieser Musik nicht seriös, sondern eher spielerisch – eine Art Maskenspiel.

Im dritten Satz (Presto) verfährt Mozart von Anfang an polyphon und verflicht zwei thematische Hauptelemente in verschiedenen Orchestergruppen. Er schafft eine unaufhalbare energische Bewegung, die mit dem darauf folgenden zweiten Thema tänzerischen Charakters markant kontrastiert. Dialoge zwischen verschiedenen Instrumenten klingen lebendig, mal wie feierliche Rufe, mal etwas geheim wie ein Echo, die witzige Natur einzelner Motive wirkt faszinierend, als hätte sich der Komponist einem hinreißenden musikalischen Spiel wohl hingegeben, und die ganze Sinfonie endet im ausgeprägt freudigen Ton.

Das ganze Werk ist ziemlich schnell vorbei, bleibt aber nachhaltig in Erinnerung aufgrund der immensen, bodenlosen Fantasie Mozarts, die ihm ermöglich hat, immer originelle, eindrucksvolle Kompositien auch mithilfe von ziemlich bescheidenen orchestralen Mitteln zu gestalten.

KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur
Orchester: Kammerorchester Bergisch Gladbach e.V.
Leitung: Dr. Roman Salyutov
Aufnahme am 26. Januar 2014, Bergisch Gladbach, Ratssaal Bensberg

KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur
KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur, Allegro
KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur, Andantino grazioso
KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur, Presto



KV 199 Heilig-Kreuz-Kirche Wiesloch

Divertimentohaft leichtfüßig kommt die Sinfonie G-Dur KV 199 daher, was manchen Forscher dazu veranlasst hat, diese Sinfonie als „konventionell“ und „bewusst konservativ“ (Volker Scherliess in: Mozart-Handbuch, 2005) abzutun oder sie als „geradezu befremdlich langes Stück“ zu bezeichnen, in dem „die Substanz“ der „Länge kaum entspricht“ (Ludwig Finscher in: MGG, Sachteil, Bd. 9, 1998). Eventuell hat Mozart dieses Werk jedoch grundsätzlich als eher unterhaltendes Stück konzipiert. Besonders im Kopfsatz findet sich eine lebensbejahende „Italianità“, die gesuchte Harmonik und satztechnische Künstelei meidet. Der helle, lichtvolle Klang der Flöten und der hohen Hörner unterstreichen diesen Eindruck noch. Der zweite Satz im galanten Gestus einer Gavotte nimmt durch die feinsinnige Instrumentation mit gedämpften und gezupften Streichern und überraschende harmonische Wendungen für sich ein. Das Finale zeigt Mozarts kontrapunktische Fähigkeiten, die er hier nicht im strengen Sinne barocker Fugentechnik anwendet, sondern dazu benutzt, einen brillanten Kehraus zu kreieren, bei dem alle Instrumente des Orchesters noch einmal mit thematischem Material zu Wort kommen. Die kraftvollen Unisono-Passagen am Ende der jeweiligen Formteile stehen in humorvollem Kontrast zur ansonsten dominierenden filigranen kontrapunktischen Satztechnik.

Text: Dr. Timo Jouko Herrmann (2019)


KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur
Orchester: Kammerorchester Nußloch
Leitung: Timo Jouko Herrmann
Aufnahme am 26. Mai 2019 in der Heilig-Kreuz-Kirche Wiesloch

KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur
KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur, Allegro
KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur, Andantino grazioso
KV 199, Sinfonie Nr. 27 G-Dur, Presto