Mozart und Problematik von Wunderkindern

So lange und für so viele Musikgenerationen war der junge Mozart DAS Beispiel für ein sogenanntes Wunderkind – Auftritte am Kaiserhof, zahlreiche Konzerttouren durch Europa, die erste Sonate mit 3, die erste Sinfonie mit 7, die erste Oper mit 12… Man schwärmte und schwärmt mal immer wieder von diesem Schein, der aber neben der oberflächlich wahrnehmbaren Attraktivität auch eine andere, mehrere Schwierigkeiten bergende Seite hat. Schon Mozarts jüngerer Nachfolger Beethoven musste die Bitterkeit einer Wunderkind-Behandlung erleiden, als sein Vater aus ihm einen zweiten Wolfgang Amadeus gnaden- und rücksichtslos zu gestalten suchte, was Beethoven aber aus Überzeugung ablehnte. Und nach Beethoven gab es auch andere Beispiele eines solchen Wahnsinns…

Nun zu Mozart. Was war denn auf seiner Wunderkind-Laufbahn so problematisch?

Als Mozarts Vater das markante Talent seines Sohnes, vor allem als Klaviervirtuose, entdeckte, versuchte er, es einem breiten und, hauptsächlich, mächtigen Personenkreis vorzustellen, um seinem Kind Schutz, Schirmherrschaft und Förderung zu ermöglichen. Ein sehr guter Ansatz an sich, keine Frage. Aber je älter Mozart wurde, desto kritischer sah er diese Auftritte, die mehr einem Zirkus ähnelten, indem er beispielsweise mal mit durch eine Binde geschlossenen Augen spielen und dadurch Adlige und Mächtige belustigen musste. Es war närrisch, und er wollte kein Narr sein und wie ein dressiertes Äffchen wahrgenommen werden. Eine derartig respektlose Wahrnehmung von Künstlern durch bestimmte Gesellschaftskreise war aber leider sehr verbreitet und hält teils noch bis heute an. Kaum machte dies den jungen Mozart glücklich.

Als er dann auf zahlreiche Konzertreisen ging, zeichnete sich ein weiteres Problem ab – Mozart fehlte viel Zeit zum vertieften, gründlicheren Üben. Zweifellos war die Beachtung und die Akzeptanz als Virtuose von großer Bedeutung, und ja – sein Können war sowieso sehr beeindruckend, aber eine ordentliche konstante Entwicklung ist ohne ständiges Üben nicht nur im Sinne der Fingerfertigkeit, sondern auch im Sinne der Erweiterung von Konzertrepertoire nicht möglich. Und gerade in diesem Sinne hatte das junge Genie einen erheblichen Zeitmangel, womit er sich in seinen Briefen übrigens auch nicht zufrieden zeigt. Eine Forcierung des Konzertlebens im zu jungen Alter birgt sehr große Risiken, und nicht jedem gelingt es, eine optimale Balance zu finden. Den als Wunderkind erstaunlich rapide erlangten Ruhm muss man häufig viel zu teuer bezahlen…

Und sein kompositorisches Schaffen auch. Mozart als Komponist konnte in seinem Leben nicht nur berauschende Höhen, sondern auch und bittere Tiefen erleben. Grandiose Erfolge vermochten die durch Unverständnis und Ablehnung seiner vielen, meistens sehr dramatischen und philosophischen Werke auslösende Enttäuschung nicht zu überschatten. Der Stand des allgemeinen Publikumsgeschmacks, besonders in den sogenannten “höheren” Kreisen war doch zu niedrig, um alle Seiten der Mozartschen Begabung und Kunst adäquat schätzen zu wissen. Im Laufe der Zeit wurde dann die Diskrepanz zwischen den eigenen, vorwärts gerichteten Ideen und Konzepten und dem rückständigen Publikum immer größer und klarer – der schöpferische Geist stieß auf Ignoranz und offene Feindlichkeit, die ihn verletzten.

Dann Mozarts Tod, seine letzte Ruhestätte – namenlos in einem Massengrab, dem eine Zeit äußerster Not und des Geratens in Vergessenheit vorausging… Wo waren alle diese Förderer und Schirmherren, um deren Aufmerksamkeit und Gnade so hartnäckig gerungen wurde? Nur ein sehr kleiner Freundeskreis hat Mozart auf seinem Leidensweg begleitet. Kaum wusste jemand vom arroganten Adel, dass gerade Derjenige zu Grabe getragen wurde, der sie alle überlebt und die Ausstrahlung dessen Persönlichkeit und Werks über Jahrhunderte mit dem ewigen Ruhm gekrönt wird.

Text: Dr. Roman Salyutov, 2018