KV 219 Zeughaus Neuss

Seitdem schon der erst sechsjährige Wolfgang Amadeus Mozart eine kleine Geige als Geschenk erhalten hatte, bestimmte dieses Instrument – neben dem dominierenden Klavier – ganz wesentlich seinen künstlerischen Werdegang. Zunächst brachte er es auf dieser seiner „Buttergeige“ ohne jeden Unterricht innerhalb weniger Wochen zu einer Fertigkeit, die seinen ahnungslosen Vater zu „Tränen der Bewunderung und des Trostes“ rührte. Vater Leopold, einer der bedeutendsten Violinpädagogen seiner Zeit, erteilte seinem Sohn daraufhin auch auf diesem Instrument systematischen Unterricht.
Schon mit zehn Jahren komponierte Wolfgang in Paris sein erstes Violinkonzert, das er der Tochter Adelaide des Sonnenkönigs Ludwig XIV. widmete. Erst 1933 wurde dieses Stück der musikalischen Welt bekannt. Mit 13 Jahren übernahm Mozart dann – zunächst inoffiziell – das Amt des Konzertmeisters des von seinem Vater geleiteten Salzburger Orchesters. Als 19-jäh-riger schrieb er und spielte er dann schon zwischen April und Dezember 1775 seine fünf bedeutenden frühen Violinkonzerte, deren letztes das heute erklingende A-Dur-Konzert ist. Noch zwei weitere Violinkonzerte folgten später nach, bis ab 1780 „die Violine am Nagel hängt“ - zum großen Leidwesen des Vaters, der ihm noch 1777 geschrieben hatte: „Du weißt selbst nicht, wie gut Du Violine spielst!
Besondere Vertrautheit mit diesem Instrument lässt auch das A-Dur-Konzert in allen Sätzen deutlich werden. Dabei weisen vor allem die beiden Ecksätze sehr reizvolle formale bzw. gehaltliche Besonderheiten auf. So lässt Mozart im Kopfsatz nach der Orchester-Exposition beider Hauptthemen – das erste charakterisiert durch federnd leicht aufsteigende Dreiklangs-Partien, die in schärfere forte-Schläge münden, das zweite eher spielerisch und tänzerisch – den Solisten zunächst mit einem neuen ausdrucksstarken Adagio-Thema einsetzen. Nach plötzlichem Tempo- und Stimmungs-Umschlag spielt der Solist dann auf der Begleitbasis des ersten Orchesterthemas ein weiteres Allegro-Thema, das mit dem der Exposition identisch ist, und fügt sich so in die gemeinsame musikalische Gestaltung ein, nicht ohne alle Gelegenheiten zu nutzen, seine virtuosen Fähigkeiten voll auszuspielen. Den Höhepunkt erreicht dies in der vor der Coda des Satzes eingefügten Solokadenz, zu der allerdings keine Vorlage Mozarts existiert: Er hatte sie selbstverständlich improvisiert.

Der Mittelsatz des Konzerts - ausdrucksmäßig erstaunlich tieflotend - zeigt eine auffallend geschlossene, im Grunde monothematische Anlage: Aus einem ohne Begleitung von der Violine intonierten Themenkopf gewinnt zunächst das Orchester und dann der Solist immer neue, tonal und harmo-nisch wechselnde, teilweise sehr weitbogige kantable Varianten und Fortspinnungen, die im Rahmen einer Reihungsform erklingen. Auch hier steht am Ende des Satzes wieder eine virtuose Solokadenz.

Das Schluss-Rondo beginnt überraschend als gravitätisch galantes Menuett und kehrt zu diesem als Refrain einer klaren Rondoform auch immer wieder zurück. In seinen Couplets nimmt der Satz dann wechselnd virtuosere Züge an und gewinnt schließlich in einem breiteren Allegro-Teil in a-Moll sogar ein fremdländisch-folkloristisches Profil: Nach einer „ungaresken“ Einleitung folgt nämlich ein „allaTurka“, das Mozart zuvor schon in seiner 1772 komponierten Ballettmusik zu „Lucio Silla“ verwendet hatte.
Nach diesem überraschenden Exkurs wendet sich der Satz – als sei nichts geschehen – wieder zum Menuett-Rondo zurück und unterbricht dieses höfische Tanzzeremoniell nicht einmal durch eine Solokadenz.
(Wilhelm Schepping)



KV 219, Konzert für Violine und Orchester Nr. 5
Orchester: Neusser Kammerorchester
Solistin: Akiyo Fujiwara (Violine)
Leitung: Joachim Neugart
Aufnahme am 2. Dezember 2018 im Zeughaus Neuss
Tontechnik: Frank Kirsch, Kaarst

KV 219, Konzert für Violine und Orchester Nr. 5
KV 219, Konzert für Violine und Orchester Nr. 5, Allegro aperto
KV 219, Konzert für Violine und Orchester Nr. 5, Adagio
KV 219, Konzert für Violine und Orchester Nr. 5, Rondeau: Tempo di Menuetto