KV 216 Ettlingen

Wolfgangs Vater Leopold (1719-1787) war nicht nur Geiger, sondern auch ein angesehener Pädagoge. In Wolfgangs Geburtsjahr brachte er sein berühmtes Lehrwerk „Versuch einer gründlichen Violinschule“ heraus, welches in mehreren Auflagen weit verbreitet war und heute eine wichtige Quelle für die historische Aufführungspraxis darstellt. So verstand es sich von selbst, dass er auch seine Kinder frühzeitig an die Violine heranführte. Wolfgang erhielt bereits mit vier Jahren Unterricht und erwies sich als überdurchschnittlich begabt: Einem Bericht des Hoftrompeters Johann Andreas Schachtner zufolge soll er in der Lage gewesen sein, bei im Rahmen einer Hausmusik musizierten Streichtrios auf seiner Kindergeige spontan die zweite Violinstimme zu spielen, ohne jemals vorher ernsthaften Unterricht erhalten zu haben.
Der Vater bildete seinen Sohn gründlich aus, und Mozart entwickelte sich zu einem vorzüglichen Geiger. Leopold schrieb ihm 1777: „Du weißt selbst nicht, wie gut Du Violin spielst…“ Es erstaunt daher, dass Mozart der Nachwelt nur fünf Violinkonzerte hinterließ (zwei weitere gelten als nicht authentisch). Zwar gibt es noch die Concertoni, mehrere Serenaden und Divertimenti mit virtuosen Violinsoli, sowie die berühmte Sinfonia concertante KV 364 für Violine und Viola, jedoch nehmen sie im Verhältnis zum Gesamtwerk zumindest zahlenmäßig eine eher untergeordnete Rolle ein. Mozart fühlte sich offenbar stärker zum Klavier hingezogen, denn während er, gleichmäßig über sein ganzes Leben verteilt, 27 Klavierkonzerte schuf und diese auch nahezu ausschließlich selbst aufführte, entstanden die Violinkonzerte in einem deutlich engeren Zeitrahmen: Das erste wird auf 1773 datiert, die restlichen vier stammen aus dem Jahr 1775. Ob Mozart, der seit 1770 Konzertmeister in Salzburg war, diese Konzerte für sich selbst oder einen der vielen anderen hervorragenden Salzburger Geiger schrieb, ist nicht geklärt; es gilt aber als sicher, dass Mozart seine Konzerte auch selbst gespielt hat.
Obwohl in enger zeitlicher Nachbarschaft entstanden, besitzt jedes der Konzerte eine ausgeprägte Individualität. Die traditionelle Dreisätzigkeit folgt dem allgegenwärtigen Vorbild Antonio Vivaldis - stilistisch in erstaunlicher musikalischer und formaler Vollendung verarbeitet mit den Eindrücken, die Mozart an italienischer, französischer und böhmischer Violinmusik kennengelernt hat. Insbesondere im 3. Konzert gelingt es ihm, eine außerordentliche Fülle von Themen überzeugend in einem Sonatensatz zusammenzuführen. Der langsame zweite Satz wirkt mit seiner überirdischen, süß-schwebenden Zartheit „wie vom Himmel gefallen“ (Mozart-Biograph Alfred Einstein) und zeugt von der beeindruckenden gefühlsmäßigen Reife des erst Neunzehnjährigen. Das heiter-beschwingte Rondeau im 3/8-Takt wird überraschend von einem Andante-Ständchen und einem darauffolgenden fröhlichen Volkslied-Couplet (mit einem vom Rondeau-Thema vollkommen abweichenden Rhythmus) unterbrochen. Der Satz endet nicht mit einem publikumswirksamen Forte-Schluss, sondern verrinnt seltsam wehmütig in verhaltener Melancholie. Einstein bemerkt hierzu: „Wenn es ein Wunder in Mozarts Schaffen gibt, so ist es die Entstehung dieses Konzertes.“

Text: Frank Christian Aranowski

KV 216, Violinkonzert Nr. 3 G-Dur

Solistin: Nelly Guignard (Violine)
Orchester: Oekumenische Philharmonie
Leitung: Frank Christian Aranowski
Aufnahme am 29. Juli 2023 in der Stadthalle Ettlingen

KV 216, Violinkonzert Nr. 3 G-Dur
KV 216, Violinkonzert Nr. 3 G-Dur, Allegro
KV 216, Violinkonzert Nr. 3 G-Dur, Adagio
KV 216, Violinkonzert Nr. 3 G-Dur, Rondeau: Allegro