Das 27. Sächsische Mozartfest „Variationen“ integrierte, wie schon in den Vorjahren, im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Kooperationsprojektes „Viva la musica - Kultur in den Partnerstädten Chemnitz - Ústí nad Labem und deren Regionen“ tschechische Spielorte und tschechische Musiker in sein Festivalprogramm.
Vielfach konnte man sich in Konzerten der Sächsischen Mozart-Gesellschaft e. V. bereits von der ansteckenden Spielfreude böhmischer Musiker überzeugen. Im Konzert am Mittwoch, den 9. Mai 2018 im Foyer des Büroausstatters Büroland in Chemnitz begeisterte ein erlesenes Ensemble mit Prager Freunden das Publikum mit zwei herausragenden klassischen Klavierquintetten in Es-Dur, einmal Mozart, einmal Beethoven.
KV 452, Klavierquintett Es-Dur
Solisten: Marek Kozák (Klavier), Ivan Séquardt (Oboe), Jaroslav Kubita (Fagott), Jiri Havlik (Horn), Petr Sinkule (Klarinette)
Aufnahme am 9. Mai 2018 im Foyer der Büroland GmbH, Chemnitz
KV 452, Klavierquintett Es-Dur
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Largo
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Allegro moderato
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Allegretto
Das Quintett KV 452 entstand im März 1784. Die Jahre von 1784 bis 1788 markieren eine Phase intensiver kompositorischer Aktivität Wolfgang Amadé Mozarts, vielleicht die geschäftigsten und erfolgreichsten Jahre seines Lebens. Seine Musik war in Wien populär wie nie, er spielte fast täglich Konzerte - und musste entsprechend viel komponieren, schließlich wollte sein Publikum von ihm auch neue Stücke hören. Zudem war Mozart in Wien ein gefragter Klavierlehrer und trat fast täglich als Pianist auf.<br>In dieser kreativen Phase schrieb er nicht nur Klavierkonzerte oder Solosonaten, er experimentierte auch mit verschiedenen ungewöhnlichen Kammermusikbesetzungen, so schrieb er in dieser Zeit ein Klavierquartett für Klavier und drei Streicher und sein Kegelstatt-Trio für Klavier, Klarinette und Viola. Neuartig geprägt ist vor allem die Besetzung seines Es-Dur-Quintetts KV 452 für Klavier und Bläser.<br>Üblicherweise brilliert das Klavier bei musikalischen Akademien als Soloinstrument mit Konzerten oder Sonaten. Die Bläser, in diesem Fall Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, bilden in der Regel - paarweise verdoppelt, als Bläseroktett - die klassische Besetzung einer Harmoniemusik, lieferten leichte musikalische Kost für Gartenkonzerte oder Feste. Mozart bringt diese Welten im Es-Dur-Quintett zusammen. Frei von Gattungstraditionen gelang ihm damit ein kongenialer Wurf.<br>Trotz der ungewöhnlichen Besetzung des Quintetts lässt Mozart keine Unsicherheiten hinsichtlich der kammermusikalischen Klangbalance oder Formgestaltung erkennen. Jedem Mitwirkenden wird Gelegenheit gegeben, sich zu profilieren; jedes Instrument hat gleichermaßen teil am melodischen Geschehen und an der thematischen Arbeit. Aus den verschiedenen Klangkombinationen entwickelt Mozart einen schier unerschöpflichen Farbenreichtum. Allenfalls der Klavierpart schwingt sich gelegentlich zu solistischem Eigenleben auf, um sich jedoch sofort wieder in den kammermusikalisch-gemeinschaftlichen Gestus einzuordnen. In Mozarts Schaffen ist dieses Quintett einzigartig geblieben.<br>Mit der Besetzung vier Bläser und ein Klavier brachte Mozart zwei Welten zusammen und schuf einen kammermusikalischen Kosmos, in dem jedes Instrument seinen besonderen Charakter ausspielen kann. Mozart hat mit dieser Besetzung wenige Nachahmer gefunden.<br>Die vier Bläser, mit denen Ludwig van Beethoven 1797, in jungen Jahren, sein Es-Dur-Quintett, op. 16, realisierte, waren je zur Hälfte Böhmen und Wiener. Neben dem weithin bekannten Wiener Klarinettenvirtuosen Josef Bär musizierten der aus Böhmen stammende Oboist Josef Triebensee, der Wiener Hornist Nickl und der böhmische Fagottist Matouscheck. Wie Mozart 13 Jahre früher in seinem Quintett KV 452, dem Prototyp aller Quintette für Bläser und Klavier, so profitierte auch Beethoven von dem exorbitanten Niveau der Wiener Bläser, die zum Großteil aus tschechischen Musikern bestanden.<br>Vieles konnte der junge Beethoven für sein Quintett von Mozart übernehmen: die Tonart, den Gesamtcharakter, die Satzfolge.<br>A. W. Thayers bemerkt hierzu in seiner Beethoven-Biographie:<br>“In diesem Werke tritt Beethoven ersichtlich und unmittelbar mit Mozart in Wettstreit, der ein Quintett in ganz gleicher Zusammensetzung, in derselben Tonart und in genau derselben Form ? längere Einleitung, erster Satz, langsamer Satz, Rondo ? schrieb.” Diese Übereinstimmungen werden durch melodische Anklänge an Mozart noch unterstrichen. Gleichzeitig markiert Beethoven aber auch deutliche Unterschiede. Mozarts erstes Allegro steht im 4/4-Takt, Beethovens im 3/4-Takt, bei Mozart folgt ein Larghetto im 3/8-Takt, bei Beethoven eine Andante-Romanze im 2/4-Takt. Mozarts Rondo ist eine Gavotte, Beethovens ein Jagdfinale. Der jüngere Meister scheint dem großen Vorbild bewusst Eigenes entgegengesetzt zu haben.<br>Die dreisätzige Konzertform deutet auf den konzertanten Charakter des Quintetts hin. Beethoven stellte nach Mozarts Vorbild dem ersten Allegro eine langsame Einleitung voran. Ist diese bei Mozart eher frühromantisch-schwärmerisch im Ton, so kündigt sich bei Beethoven bereits der Sinfoniker an, den nur noch drei Jahre von seiner Ersten Sinfonie trennten. Auch im folgenden Allegro spürt man den neuen Tonfall, den der Virtuose und Komponist Beethoven anschlug. Wo Mozart eine Idealsynthese aus Belcanto, Klavierkonzert und Kammermusik gelang, setzt der junge Beethoven schroffe Akzente: Sforzati, überraschende Modulationen, krasse Dynamikwechsel. Bläser und Klavier treten einander wie die Klanggruppen eines Sinfonieorchesters gegenüber, der Klaviersatz ist raumgreifend und kraftvoll.<br>Das Andante cantabile zitiert deutlich hörbar die Arie der Zerlina “Batti, batti, o bel Masetto” aus Mozarts Don Giovanni, geht jedoch in den Episoden zwischen dem Rondeau-Thema eigene Wege. Es handelt sich um zwei solistische Couplets für Oboe bzw. Fagott und Horn. Gegen Ende weitet sich auch hier die Form durch immer dynamischer werdende Verzierungen.<br>Das Rondo enthält wiederum eine lange Durchführung und eine Coda, in der das Thema auf geniale Weise rhythmisch gedehnt wird. Bei einer späteren Aufführung erlaubte sich Beethoven in diesem Satz einen Scherz mit seinen Bläserkollegen. Der berühmte Solo-Oboist der Münchner Hofkapelle, Friedrich Ramm, war in Wien zu Gast, und Beethoven brachte mit ihm das Quintett zur Aufführung. Im Finale “fing Beethoven auf einmal an zu phantasieren, nahm das Rondo als Thema und unterhielt sich und die andern eine geraume Zeit, was jedoch bei den Begleitenden nicht der Fall war. Diese waren ungehalten und Herr Ramm sogar aufgebracht. Wirklich sah es possierlich aus, wenn diese Herren, die jeden Augenblick warteten, dass wieder angefangen werde, die Instrumente unauffällig an den Mund setzten und dann ganz ruhig wieder abnahmen. Endlich war Beethoven befriedigt und fiel wieder ins Rondo ein. Die ganze Gesellschaft war entzückt.”<br>Als Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott schrieb Beethoven das Werk für seine eigenen Wiener Konzerte im Jahr 1796. Erst 1810 erschien die eigenhändige Bearbeitung dieses Werks, das in dieser Form weit berühmter wurde, als in seiner Originalbesetzung. Überhaupt scheint das Werk geradezu ideal für Bearbeitungen zu sein, immerhin gibt es auch eine für Streichquartett, eine für Streichquintett, eine für zwei Klaviere von Joseph Czerny, sowie eine für Klavier zu vier Händen.<br><br><br>
Jirí Havlík studierte am Konservatorium und der Akademie der darstellenden Künste in Prag Horn und Komposition sowie musikalische Leitung an der Janácek-Akademie für Musik und darstellende Kunst in Brünn. Seit 1979 ist er Mitglied der Tschechischen Philharmonie. Er gewann mehrere Preise in internationalen Musikwettbewerben (Concertino Praga, Prager Frühling, sowie einen Sonderpreis des Kulturministeriums für die Komposition und Interpretation seiner eigenen Komposition – The Horn Concerto).
Er ist künstlerischer Leiter und Dirigent des Camerata Philharmonic Orchestra Bohemia, das er 2002 gründete. Von 2003 bis 2013 war er Dirigent des Benda Chamber Orchestra in Ústí nad Labem. Seit 2013 ist Jirí Havlík künstlerischer Leiter des Kammerorchesters Mladá Boleslav und dirigiert seit 2007 bei der ChamberArt Madrid (Spanien). Mit dem Horn spielte er eine Reihe von Solo- und Kammermusik-CDs ein – darunter ein Solo Recital für Octavia Records aus Japan – und leitete sieben verschiedene Orchester-CD-Aufnahmen, darunter zwei für die US-amerikanische Plattenfirma Summit Records.
Er leitete und dirigierte eine Reihe von internationalen pädagogischen Orchesterprojekten in mehreren europäischen Ländern, regelmäßig in der Tschechischen Republik unter seiner eigenen Marke Filarmonietta Praga, mit der Teilnahme von Hunderten von Musikern aus der ganzen Welt, unter anderem (alphabetisch) aus Belgien, China, Deutschland, Frankreich, Holland, Indien, Tschechien, USA usw. Auch arbeitete er mit zahlreichen Orchestern (alphabetisch): Bläser Kollegium Dresden, Philharmonie der Stadt Prag, Philharmonie Hradec Králové, ChamberArt Madrid (Spanien), Olomouc Moravian Philharmonie, NTT Symphonieorchester Tokyo (Japan), Toshiba Symphonieorchester Tokyo (Japan), YPSO California (USA) usw. Darüber hinaus arbeitete er mit vielen tschechischen und ausländischen Solisten und Chören (z. B. Japan, Deutschland, Spanien) zusammen.
Dank der fast 40-jährigen Tätigkeit in der Tschechischen Philharmonie hatte J. Havlík die Möglichkeit einer reichen musikalischen Erfahrung, ausgehend vom ursprünglichsten Kern der tschechischen Instrumentaltradition des 20. Jahrhunderts. Der Interpretations-Stil, gebildet von Persönlichkeiten wie Václav Talich und Karel Ancerl, vor allem jedoch Generationen wirklich außergewöhnlicher Instrumentalisten, verleihen dem ersten tschechischen Orchester seinen weltweit einzigartigen Glanz und unverwechselbaren Klang. Für 12 Spielzeiten arbeitete er unter der äußerst produktiven künstlerischen Leitung von Václav Neumann. Inspiration brachte jedoch auch seine persönliche Erfahrung und die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit den wichtigsten Dirigenten Europas und der Welt wie z. B. Leonard Bernstein, Ricardo Mutti, Herbert von Karajan, Wolfgang Sawallisch, Charles Mackerras, Rafael Kubelik, Herbert Blomstedt, Leonard Slatkin, Vladimir Ashkenazi, Jirí Belohlávek, und vielen anderen.
Jirí Havlík ist einer der Gründer und Organisatoren der internationalen Musikkurse Hornclass in Nové Strašecí (seit 1991) und des internationalen Musikfestivals Cornissimo – Lesní roh Praha. Er war zehn Jahre lang geschäftsführender Direktor des Ameropa International Chamber Music Festival und arbeitete als Vorsitzender des TIMUC (Terezin International Music Center) o.p.s. in Theresienstadt. Jirí Havlík ist ehemaliges Vorstandsmitglied des Talich Chamber Orchestra (TKO) und war von 1992 bis 1994 Mitglied des künstlerischen Beirats sowie 10 Jahre lang Vorsitzender des Instrumentalfonds der Tschechischen Philharmonie. Seit 2013 ist er Direktor des internationalen Musikfestivals Praha, klasika.
Marek Kozák (geb. 1993) ist Preisträger des „Prague Spring International Music Competition“ und Halbfinalist des Internationalen Fryderyk Chopin Klavier Wettbewerbs in Warschau. Derzeit studiert er bei Ivan Klánský an der Akademie der Darstellenden Künste in Prag. Sein außerordentliches Talent zeigte sich bereits in der Grundschule in Brušperk, worauf sich ein Besuch des Janacek Konservatorium in Ostrava mit Klavierunterricht bei Monika Tugendliebová und Orgelstudien bei Martina Zelová anschloss. Während seiner Zeit in Ostrava gewann er den Tschechischen Konservatoriumswettbewerb in Pardubice, erhielt den Preis für die beste Aufführung eines Beethovenwerkes beim Beethoven Wettbewerb in Hradec und wurde zum Gewinner des Piano Wettbewerbes in Brno gekürt. Er besuchte zahlreiche Meisterkurse bei weltbekannten Klaviervirtuosen, wie M. Perahia, G. Ohlsson, E. Indjic und vielen anderen. Des Weiteren wurde Marek Kozák Erster beim Internationalen Fryderyk Chopin Klavierwettbewerb 2013 in Mariánské Lázne und Dritter beim Internationalen Fryderyk Chopin Klavierwettbewerb in Darmstadt und gewann den ersten Preis beim Internationalen Smetana Klavier Wettbewerb in Plzen. Er spielte mit führenden tschechischen Orchestern, wie der Janácek Philharmonie Ostrava, der Moravian Philharmonie, der Philharmonie Brno, der Kammerphilharmonie Pardubice, dem Prager Symphonieorchester FOK und der Hradec Králové Philharmonie und trat auch im Ausland auf. Im letzten Jahr bekam er beim Prague Spring International Music Competition eine Auszeichnung für seine Interpretation des zeitgenössischen Stücks „The Jongleur“ von Adam Skoumal.
Jaroslav Kubita studierte am Prager Konservatorium und an der Prager Akademie für Darstellende Künste. 1984-96 war er beim staatlichen Opernorchester in Prag und dem Prager Radio-Symphonieorchester als erster Fagottist engagiert. Seit 1996 ist er Mitglied der Tschechischen Philharmonie, seit 2003 als erster Fagottist. Bereits vor Beendigung seines Studiums machte Jaroslav Kubita mit zahlreichen Wettbewerbserfolgen auf sich aufmerksam. Zu nennen sind erste Preise im „Prague Spring“ Wettbewerb 1991 und im polnischen Leszno-Wettbewerb 1988. Zudem war er Preisträger im C.M. von Weber- Wettbewerben in München (1987) und beim Wettbewerb der International Double Reed Society in Manchester (1989). Als Solist tritt er sowohl im seiner Heimat, als auch im Ausland auf.
Jaroslav Kubita ist Mitglied der Kammermusik-Ensembles Modo Camerale, Prager Barock-Ensemble und „Czech Wind Harmony“. Seit 2009 ist er Dozent für Fagott an der Janá ek Akademie für darstellende Künste in Brno.
Der Oboist Ivan Séquardt ist seit 1979 Mitglied der Tschechischen Philharmonie, zunächst als Englischhornist und seit 1990 als Solooboist. Er musizierte mit zahlreichen tschechischen und internationalen Orchestern (Tschechische Philharmonie, Symphonieorchester Prag, Solistes Europeens Luxemburg, Orchestra St.Cecilia di Roma, u.a.). Zudem ist er künstlerischer Leiter des Tschechischen Wind Harmony Ensembles (klassisches Bläseroktett). Séquardt hat zahlreiche CDs mit Oboenkonzerten (Mozart, Martinu, Bach, Pasculli, Dietters von Diettersdorf) und kammermusikalischen Werken (Zelenka, Bach, Telemann, Vivaldi, Albinoni) aufgenommen. 1996 erhielt er den ersten Preis und Goldmedaille im Internationalen Wettbewerb für Kammermusik in Osaka/Japan.
Petr Sinkule ist im Jahre 1963 geboren. Er studierte Klarinettenspiel im „Prager Konservatorium“ und in „AMU“ (Akademie der musischen Künste) in Prag. Bereits während seines Studiums ist er ein Mitglied des „Symphonischen Orchesters der Hauptstadt Prag FOK“ geworden. Seit dem Jahre 1989 ist er ein Mitglied der „Tschechischen Philharmonie“. Er gehört zu den Gründern von „Prager Bassethorn – Trio“, er ist ein Mitglied der „Tschechischen Blasharmonie“ und gehört auch zu den vielgesuchten Solo-Kammerspielern.
Bergisch Gladbach, ev. Kirche Zum Heilsbrunnen, 15.09.2024
Aachen, Musiksalon, 10.07.2024
Innsbruck, Galerie artdepot, 11.06.2024
Ravensburg & Friedrichshaven, 16. & 17. März 2024
Bergisch Gladbach, Schloss Bensberg, 01.04.2024
Düsseldorf, Gesellschaft Zur Ludwigsburg, 13.01.2024
Mannheim, Rosengarten, 09.12.2023