KV 543 Bürgerhaus Heidelberg-Emmertsgrund

Es gehört bis heute zu den Geheimnissen Mozarts, was ihn im Sommer 1788 - innerhalb von nur sechs (!) - Wochen dazu bewog, seine drei letzten Symphonien Nr. 39 bis 41 zu schreiben, die den Höhepunkt der klassischen Symphonie überhaupt bezeichnen. Da es normalerweise nicht seiner Art entsprach, Werke (noch dazu in derartigen Dimensionen) ohne Auftraggeber bzw. Aussicht auf eine Aufführung zu komponieren, machte sich nach seinem Tod zunächst die romantische Vorstellung breit, er habe die Symphonien in hoffnungsloser Lage nur für sich selbst oder „für die Ewigkeit“ geschrieben. In der Tat befand sich Mozart zu jener Zeit in einer schweren Krise, die durch Geldsorgen, Depressionen und den Tod seines sechs Monate alten Töchterchens gekennzeichnet war. In jüngerer Zeit geht man davon aus, dass die Werke entweder für eine später aus mangelndem Publikumsinteresse abgesagte Konzertreihe, eine beabsichtigte Veröffentlichung oder eine geplante, aber letztlich nicht durchgeführte Englandreise konzipiert waren. Eine oder mehrere Aufführungen zu Mozarts Lebzeiten sind sehr wahrscheinlich; es kann aber nicht eindeutig nachgewiesen werden, wann und wo welche der drei Symphonien gespielt wurde. Jedenfalls gab Mozart ab 1788 keine öffentlichen Konzerte mehr in Wien.
Laut Mozarts eigenhändigem „Verzeichnüß aller meiner Werke“ vollendete er seine Es-Dur-Symphonie am 26. Juni 1788 nach nur vier- oder fünftägiger Arbeit. Im Verhältnis zu den beiden anderen letzten Symphonien hat die Es-Dur-Symphonie stets die geringste Aufmerksamkeit erhalten, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass ihr Charakter sich nicht so „griffig“ beschreiben lässt, wie die „tragische“ g-moll-Symphonie oder die „strahlende“ “Jupiter“-Symphonie (abgesehen davon, dass diese Symphonie technisch deutlich schwerer zu spielen ist, als ihre beiden Schwesterwerke). Eine kurze Zeit lang kursierte der Beiname „Schwanengesang“, der sich glücklicherweise nicht halten konnte. Mozart gelingt in seiner Es-Dur-Symphonie die Vereinigung unterschiedlichster Stimmungen und Charaktere: Auf die symphonisch-majestätische Erhabenheit der Einleitung des ersten Satzes mit Pauken und Trompeten und recht kühnen Harmonien folgt ein liebliches, helles Thema im beschwingten Dreivierteltakt; der kammermusikalisch anmutende, zart-elegante zweite Satz enthält hochdramatische Gefühlsausbrüche; das Menuett kommt mit seinem Stampfrhythmus geradezu derb-volkstümlich daher, während der letzte Satz als übersprudelnd dahinstürmendes, aristokratisch anmutendes Finale angelegt ist. Der bekannte Dirigent und Musikwissenschaftler Kurt Pahlen fasste den Charakter des Werkes 1966 folgendermaßen zusammen: „Eine glückliche Atmosphäre waltet in diesem Werke, ein helles Licht, eine mit Zärtlichkeit gepaarte Liebenswürdigkeit.“ Das berühmteste Statement gab jedoch E. T. A. Hoffmann ab: „In die Tiefen des Geisterreichs führt uns Mozart. Furcht umfängt uns: aber ohne Marter ist sie mehr Ahnung des Unendlichen. Liebe und Wehmut tönen in holden Stimmen, die Nacht der Geisterwelt geht auf in hellem Purpurschimmer, und in unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir den Gestalten nach, die freundlich uns in ihre Reihen winken, im ewigen Sphärentanze durch die Wolken fliegen...“
Text: Frank Christian Aranowski


KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur
Orchester: Oekumenische Philharmonie
Leitung: Frank Christian Aranowski
Aufnahme am 31. Juli 2022 im Bürgerhaus Heidelberg-Emmertsgrund

KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Adagio - Allegro
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Andante con moto
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Menuetto: Allegretto
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Finale: Allegro



KV 543 Langenfeld (Rhld)

Datierungen zufolge soll Mozart seinen letzten sinfonischen Zyklus – die Sinfonien Nr. 39, 40 und 41 – innerhalb nur weniger Wochen im Sommer 1788 komponiert haben. Diese Werke stellen eine weitere Stufe in seinem sinfonischen Schaffen dar – vor allem im Sinne der verwendeten kompositorischen Mittel wie auch des Formaufbau. Es sind spürbare längere und inhaltlich komplexere Kompositionen als seine vorherigen Werke dieser Gattung, die bereits kurz vor Beethovens Sinfonien stehen und diese in erheblichem Maße vorbereiten.
Die Sinfonie wird mit einer langsamen und monumental wirkenden Einleitung Adagio eröffnet und lässt die Haupttonart Es-Dur – die Tonart der zukünftigen „Eroica-Sinfonie“ Beethovens – prächtig erklingen. Die im Orchester mitbesetzten zwei Hörner, zwei Trompeten und Pauken tragen zur Entstehung dieses Eindrucks sofort bei.
Der erste Satz Allegro fängt mit einem leicht und schwingend erscheinenden Thema im Dreivierteltakt an – darin lässt sich etwas Tänzerisches, Walzerähnliches heraushören. Doch gleich wird sich das zweite Element des Hauptthemas behaupten – äußerst energisch und lebensbestätigend, auch etwas heroisches (der Dreier-Rhythmus stimmt wieder mit dem im Kopfsatz der Beethoven‘schen „Eroica“ überein) – und den Satz somit stimmungsmäßig dominieren. Der sanft beginnende zweite Satz Andante con moto sorgt für einen auffälligen Kontrast und bringt sofort zärtliche Ruhe mit sich. Mozarts generell immer kontrapunktischer werdende Musiksprache hinterlässt hier deutliche Spuren, in dem verschiedene Elemente des Themas polyphon behandelt werden und somit alle Stimmen der Partitur gleichbedeutend zur Geltung kommen lassen. Aber auch in dieser von warmen Gefühlen durchdrungenen Musik treten zwischendurch einige dramatische Episoden hervor – in Moll, dynamisch stark und mit markiert punktierter Rhythmik, was quasi die Schattenseite der in diesem Satz vorherrschenden Ruhe darstellt und in die im Verborgenen befindlichen Sorgen des Komponisten tiefer blicken lässt.
Der dritte Satz Menuetto ist ein für den Mozart‘schen sinfonischen Zyklus typisches Intermezzo. Der fröhliche, markige und schwungvolle Hauptteil wird von einem ruhig fließenden, schlicht-schönen Trio komplettiert.
Im vierten Satz – Finale – strömt die unbändige Energie wieder. Im flotten Zweivierteltakt kreiselt das Hauptthema. Angefangen leicht und leise in den ersten Violinen, wächst sie dann zu einem klangvollen Tutti und sorgt für die Wiederherstellung der im ersten Satz der Sinfonie etablierten energischen, teils sogar heroischen Grundstimmung. Die polyphone Verarbeitung des thematischen Materials wird fortgesetzt und liefert ein weiteres ein tolles Beispiel einer ausgeglichen gestalteten bzw. behandelten Orchesterbesetzung.

Ob es zu einer Uraufführung dieser Sinfonie, wie auch aller drei letzten Sinfonien Mozarts, zu den Lebzeiten des Komponisten kam, ist unbekannt. Belegt ist das nicht. Der Zeitraum, innerhalb dessen diese Werke entstanden sind, wurde sein Leben von zunehmenden finanziellen Sorgen, Enttäuschungen und sogar Verzweiflung geprägt. Umso bewundernswerter sind die menschenoffen und lebensgewandt wirkenden Klänge dieser Musik, die von einem stakten künstlerischen Willem zeugt, trotz allem weiter zu komponieren und Trost und Kraft in der schönen Tonkunst zu schöpfen.


KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur
Orchester: Sinfonieorchester Bergisch Gladbach
Leitung: Roman Salyutov
Aufnahme am 3. Oktober 2021 in der Kultur- und Bildungsstätte Schauplatz, Langenfeld (Rhld)

KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Adagio
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Andante con moto
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Menuetto Allegretto
KV 543, Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, Finale Allegro