KV 626 Quirinusmünster Neuss

Text der Musikbesprechung, siehe KV 626 Quirinusmünster Neuss vom 11.09.2016

KV 626 St. Quirin

Mozart und kein Ende – auf Spurensuche in der Welt eines unergründlichen Genies
„Der Geschmack des Todes ist auf meiner Zunge, ich fühle etwas, das nicht von dieser Welt ist.“ (W.A.Mozarts letzte Worte am 5. Dezember 1791)

Die Lebensumstände des 35 Jahre alten Wiener Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart können in den letzten Monaten des Jahres 1791 kaum dramatisch zugespitzter sein: Mozart wird im Mai 1791 zum stellvertretenden Kapellmeister am Wiener Stephansdom ernannt, eine zwar unbesoldete Position, die ihm allerdings die Aussicht auf Beförderung zum 1. Kapellmeister bringt. Am 17. Juni vollendet er die Motette Ave verum corpus, das wahrscheinlich dem Fronleichnamsgottesdienst dieses Jahres dediziert ist. Am 6. September muss Mozart nach Prag, um die Uraufführung der Oper La clemenza di Titoanlässlich der Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen über die Bühne zu bringen. Zurück in Wien wartet das neuartige Singspiel Die Zauberflöte auf die Weltpremiere, die am 30. September erfolgt. „Nebenbei“ legt er um den 8. Oktober herum letzte Hand an das Klarinettenkonzert, das er für seinen Freund Anton Stadler komponiert hat. Eine kleine Kantate hat er noch der Freimaurer-Loge versprochen, welcher er seit Herbst 1784 angehört. Ihr Vermerk in Mozarts „Verzeichnüß aller meiner Werke“ am 15. November wird seine letzte Eintragung in diesem eigenhändigen Katalog sein. Und über allem schwebt die ominöse, aber lukrative Verpflichtung, in die er im Laufe des Jahres eingewilligt hat: für einen anonymen Auftraggeber ein Requiem, eine Totenmesse zu schreiben. Die Wucht all dieser musikalischen Verpflichtungen trifft im Herbst des Jahres 1791 auf einen zunehmend labilen Menschen, dessen Gesundheitszustand sich zum Ende hin dramatisch schnell verschlechtert – am 5. Dezember hat sein ausgelaugter Körper den Kampf mit der ihn gnadenlos fordernden Schaffenskraft verloren: Mozart schließt für immer die Augen, die Totenmaske wird zum stummen Zeugen seines frühen Todes. Im Rahmen unseres „Mozart-Projekts“, dem sich Chor und Orchester mit Beginn des Schuljahres 2018/19 am Gymnasium Marienberg gewidmet haben, war von Anfang an das Ziel, die musikalische und interpretatorische Beschäftigung mit dem Requiem als Hauptwerk, im Konzert flankiert von der Motette Ave verum und dem Klarinettenkonzert, möglichst intensiv und lebendig zu gestalten, indem die Vielfalt der biografischen, (musik-) historischen, kompositorischen und religiösen Perspektiven auf das Werk einbezogen werden sollten, in der Hoffnung, sich dadurch der Schönheit und Tiefe dieser Tonschöpfungen würdig erweisen zu können.

KV 626 Gürzenich Köln

Requiem nennt man nach ihrem Anfangswort die Missa pro defunetis, die Messe für Verstorbene. Im Gegensatz zur mehrstimmig komponierten Messe, in der nur die Worte des Ordinariums (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus mit Benetlictus und Agnus Dei) vertont werden, beziehen die Komponisten beim Requiem das Proprium (Wechselgesänge) oder Teile desselben mit ein (Introitus, Graduale, Tractus, Sequenz, Offertorium und Communio). Oft bildet das bisher nach dem liturgischen Gottesdienst gesungene Responsorium „Libera me“ auch den Schlußteil der Komposition, das Mozart-Requiem schließt mit der Communio. Wolfgang Amadeus Mozart schuf sein unvergängliches Meisterwerk auf (anonyme) Bestellung hin 1791. Dem bereits todkranken Meister aber gelang trotz aller Anstrengung die vollständige Vertonung des Werkes nicht mehr. Der zu seiner Zeit bekannte Komponist und Kapellmeister Fr. X. Süßmayr, ein Schüler und Vertrauter Mozarts, ergänzte das Werk, zum Teil nach Angaben und Skizzen des Komponisten.
Mozarts Requiem ist nur im weiteren Sinne liturgisch. Es ist die Elegie eines sterbenden begnadeten Künstlers an den nahenden Tod. Ein menschliches Lied der Klage, der Resignation, aber auch der Zuversicht auf die Unsterblichkeit. Gedeutet als Abschiedsgesang vom Leben ist Mozarts Totenmesse von edler, klassischer Schönheit, deren Aussage ebenso erschüttert wie tröstet.


KV 626, Requiem
Orchester: Philharmonisches Orchester Köln
Solisten: Nelly van der Speck (Sopran), Ortrun Wenkel (Alt), Wilfried Joachims (Tenor), Friedhelm Hessenbuch (Bass)
Leitung: Philipp Röhl
Aufnahme vom 18. November 1970 im Kölner Gürzenich

KV 626, Requiem
KV 626, Requiem, Kyrie
KV 626, Requiem, Dies irae
KV 626, Requiem, Tuba mirum
KV 626, Requiem, Rex tremendae
KV 626, Requiem, Recondare
KV 626, Requiem, Confutatis
KV 626, Requiem, Lacrimosa
KV 626, Requiem, Domine Jesu
KV 626, Requiem, Sanctus
KV 626, Requiem, Benedictus
KV 626, Requiem, Agnus Dei





KV 626 Quirinusmünster Neuss

Um die Entstehung von Mozarts Requiem, KV 626, ranken sich viele Legenden; heute weiß man, dass der geheimnisvolle Fremde, der im Sommer 1791, ohne seine Identität preiszugeben, bei Mozart ein Requiem bestellte, ein Bote des Grafen von Walsegg-Stuppach war. Die Geheimnistuerei lag darin begründet, dass dieser, ein begeisterter Amateurmusiker, das Requiem zu einer Gedenkmesse für seine verstorbene Frau aufführen und dabei als seine eigene Komposition ausgeben wollte. Mozart, immer in Geldsorgen, nahm den Auftrag und die Anzahlung gerne an. Vielleicht freute er sich aber auch über die Gelegenheit, wieder ein kirchenmusikalisches Werk komponieren zu können. Seit seiner Übersiedelung 1781 nach Wien als „freier Künstler“, seit er also aus den Diensten des Salzburger Erzbischofs ausgeschieden war, hatte er außer der unvollendeten c-Moll-Messe und dem Ave Verum kein geistliches Werk mehr geschrieben. Im September begann er mit der Niederschrift der Komposition, musste sie aber wegen seiner Arbeit an der Zauberflöte und der Opera seria La clemenza di Tito unterbrechen. Gegen Ende September konnte er sich wieder dem Requiem zuwenden. Seine ohnehin schwache Gesundheit war durch die vorausgegangenen Anstrengungen äußerst angegriffen und verschlechterte sich zusehends, so dass er wohl auf den Gedanken kommen konnte, er arbeite an seiner eigenen Totenmesse. Fieberhaft versuchte er, diese Komposition zu Ende zu bringen, spürte aber wohl schon, dass ihm das nicht mehr gelingen werde. Mit seinem Schüler Süßmayr besprach er die noch zu komponierenden Sätze; nach den ersten acht Takten des Lacrymosa, am 5. Dezember 1791, nahm der Tod ihm die Feder aus der Hand. Der geheimnisvolle Bote kam und forderte die Ablieferung der fertigen Partitur. Mozarts Witwe Constanze versuchte, verschiedene Musiker aus Mozarts Freundeskreis für die Ergänzung des unvollendeten Werkes zu gewinnen. Am Ende blieb die Aufgabe an Süßmayr hängen, denn „ ... man wusste“, schreibt dieser selber, „dass ich noch bey Lebzeiten Mozarts die schon in Musik gesetzten Stücke öfters mit ihm durchgespielt, und gesungen, dass er sich mit mir über die Ausarbeitung dieses Werkes sehr oft besprochen, und mir den Gang und die Gründe seiner Instrumentirung mitgetheilt hatte.“ Das von Süßmayr vollendete Werk wurde dem Besteller ausgehändigt und von diesem auch gut zwei Jahre nach Mozarts Tod aufgeführt. Die Uraufführung erfolgte jedoch, vermutlich ohne Wissen des Grafen von Walsegg-Stuppach am 2. Januar 1793 bei einem Benefizkonzert des Barons van Swieten zugunsten Constanzes.

Bis in unsere Zeit hinein ist von verschiedenen Seiten immer wieder versucht worden, Mozarts Requiem zu vollenden. Die Vervollständigung Süßmayrs kommt trotz der vorhandenen Mängel dem Torso der Mozartschen Vertonung wohl doch am nächsten.
Von Mozart selber stammen:
Introitus und Kyrie vollständig mit Instrumentation
die Sequenz bis zu den ersten Takten des Lacrymosa,
ebenso das Offertorium in Singstimmen und Fundamentalbaß,
jedoch nur mit Andeutungen der Instrumentation.

Durch die Übernahme von Mozarts Originalvertonung des zweiten Teils des Introitus und des Kyries für die abschließende Communio (mit Anpassung an den veränderten Text) schließt das Werk mit originaler Musik von Mozart.

Süßmayr hat hinzukomponiert:
das Sanctus samt Benedictus und das Agnus Dei.
Ergänzt hat er, vielleicht auf Skizzen und Gespräche mit Mozart gestützt: das Lacrymosa und den Orchestersatz, wo er fehlte.

Mozart hat für sein Requiem an Instrumenten nur tiefe Bläser vorgeschrieben: Bassetthörner (tiefe Klarinetten), Fagotte, Trompeten und Posaunen, dazu Streicher und Pauken.

Das Requiem aeternam und das Dies irae beginnen in düsterem d-Moll. Zwei bedeutende frühere Kompositionen Mozarts stehen ebenfalls in d-Moll: In Don Giovannis Höllenfahrt, wo von dem sterbenden Sünder Rechenschaft gefordert wird, er aber nicht umkehren will, kommt die Musik vom d-Moll nicht los. Ähnlich wie das Requiem beginnt auch das d-Moll-Klavierkonzert KV 466 in synkopisch verschleiertem Rhythmus. Diese Musik reißt rätselhafte Abgründe auf, und man würde nicht vermuten, dass sie von Mozart stammt. wenn man im Hinblick auf ihn bei dem Klischee eines heiteren, verspielten Rokokomenschen bliebe. Dieses Klavierkonzert ist aber eines von dreien, die er für seine eigene Konzerttätigkeit und nicht als Auftragsarbeit geschrieben hat. Dieser zutiefst lebensernste Mozart ist hinter oder zumindest neben allen seinen Kompositionen zu sehen, wenn er auch sonst seine persönlichen Befindlichkeiten und Sorgen aus seiner Musik herauszuhalten bestrebt ist. Von tiefer Gläubigkeit geprägt ist ein Brief des kaum Dreißigjährigen an seinen kranken Vater:
„ ... da der Tod, genau zu nemmen, der wahre Endzweck unsers lebens ist, so habe ich mich seil ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! und ich danke meinem gott, daß er mir das glück gegönnt hat mir die gelegenheit ... zu verschaffen, ihn als den schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen. – ich lege mich nie zu bette ohne zu bedenken, daß ich vielleicht, so Jung als ich bin, den andern Tag nicht mehr seyn werde ... “
Und doch ist der Tod nicht nur das Tor zum Himmel, sondern auch der Schritt zum gefürchteten Gericht, wie es in der Sequenz der Totenmesse bildhaft vorgestellt wird. So schwankt Mozarts Requiem überdeutlich zwischen demütigem Bitten und Zuversicht ob der Erlösung durch Jesus Christus einerseits und der Angst des sündigen Menschen vor dem unbestechlichen, mächtigen Richter, vor dem jeder Mensch einmal stehen wird, andererseits. Dieser zweite Aspekt mag für Mozart im Angesicht des eigenen Todes besonders bedrängend gewesen sein. Doch darf die Dramatik der entsprechenden Passagen in unserer Wahrnehmung nicht die vielen Zeichen demütiger gläubiger Hoffnung überdecken.
Besonders auffallend und zusammengefasst scheint die Doppelgesichtigkeit von Mozarts Requiem im letzten Akkord des Kyrie zu sein (der nach Süßmayr dann auch den letzten Akkord des ganzen Requiems darstellt): ein leerer Quintklang, weder Dur noch Moll – weder sichere Zuversicht, noch Verharren in Düsternis und Traurigkeit. Es ist dies die Nahtstelle zwischen gläubiger Fürbitte und der Schreckensvision des Jüngsten Gerichtes im Dies irae. Die vorangegangene Doppelfuge des Kyrie greift zu der Bitte „Herr, erbarme Dich“ am Beginn des ersten Fugenthemas ein Motiv aus Händels Messias auf. Dort lautet der Text: „Durch seine Wunden (sind wir geheilt).“ Sollte Mozart sich bei seiner Komposition daran nicht mehr erinnert haben? Den Messias kannte er gut, hatte er doch sogar eine Bearbeitung von Händels Oratorium geschrieben. Kennen- und schätzen gelernt hatte er Händel und vor allem Bach und seine Söhne im Hause des Barons Gottfried van Swieten. Wie sehr Mozart es verstand, sich die polyphone Kunst dieser als veraltet geltenden Meister anzueignen und weiterzuführen, zeigt auch das Requiem in mehreren Fugen und fugierten Abschnitten. Für den altehrwürdigen liturgischen Text empfand er den Rückgriff auf die alte kirchenmusikalische Tradition offenbar als angezeigt.
Daneben stehen auch immer wieder homophone, akkordische Abschnitte und Passagen von großer Bildhaftigkeit, vor allem in der Sequenz. Erwähnt seien zum Beispiel im Dies irae das Tremolo als Ausdruck des ängstlichen Zitterns, die Posaune beim Tuba mirum und das Stottern, „wenn Gerechte selbst verzagen“; der gravitätische punktierte Rhythmus am Beginn des Abschnitts „König schrecklicher Gewalten“, im Lacrymosa das staunend stockende Aufsteigen der Sopranlinie über anderthalb Oktaven bei den Worten „da vorn Grabe („aus der Asche“) wird erstehen zum Gericht der Mensch voll Sünden“ und das fordernd pochende „das Du einst Abraham versprochen hast“-Thema der am Ende des Offertoriums wiederholten Fuge, welche sehr sinnenfällig die Geschlechterfolge malt.
Dazwischen stehen immer wieder Passagen innigen Bittgebets und tastender Hoffnung – wie der Text es vorgibt. Mozart selber war das die Leiden des Erlösers betrachtende Recordare besonders wichtig, und die Beschäftigung mit dem Lacrymosa trieb ihm selber die Tränen in die Augen.

Diese Tiefe der Empfindung und die Meisterschaft im Verbinden unterschiedlichster Kompositions- und Ausdrucksweisen hat Süßmayr nicht erreichen können, aber ohne seine Vervollständigung wäre dieses großartige Werk einer breiteren Öffentlichkeit auf lange Zeit unerreichbar geblieben.

Text: Marion Feinendegen


KV 626, Requiem
Orchester: Neusser Kammerorchester
Solisten: Kataryzna Wilk (Sopran), Ute Weitkämper (Alt), Cezar Dima (Tenor), Sebastian Klein (Bass)
Leitung: Joachim Neugart
Aufnahme am 11. September 2016 im Quirinusmünster Neuss
Tontechnik: Frank Kirsch, Kaarst

KV 626, Requiem
KV 626, Requiem, Introitus
KV 626, Requiem, Kyrie
KV 626, Requiem, Dies irae
KV 626, Requiem, Tuba mirum
KV 626, Requiem, Rex Tremendale
KV 626, Requiem, Recordare
KV 626, Requiem, Confutatis
KV 626, Requiem, Lacrismos
KV 626, Requiem, Domine Jesu
KV 626, Requiem, Hostias
KV 626, Requiem, Sanctus
KV 626, Requiem, Benetictus
KV 626, Requiem, Agnus Dei
KV 626, Requiem, Lux Aeterna



KV 626 Trinitatiskirche Köln

Eine durchaus gängige Praxis der Romantik war es, auch größer besetzte Werke der Musik für den kammermusikalischen Gebrauch zugänglich zu machen. Das Klavier, das sich zum Instrument par excellence in den Häusern und Salons des Großbürgertums entwickelt hatte, diente in zwei- oder mehrhändigen Arrangements als adäquater Ersatz für ein Orchester.
Carl Czerny (1791 - 1857) bearbeitete das Requiem Mozarts im Jahr 1828 für Klavier zu vier Händen. Gewidmet hat er diese Bearbeitung dem hochwürdigen Abbe Maximilian Stadler (1748 - 1833), welcher damals durch das Studium der verschiedenen Ab- und Reinschriften des Requiems viel zur Klärung des Entstehungsprozesses beitragen konnte.


KV 626, Requiem
Solisten: Aline Wilhelmy (Sopran), Anne-Kathrin Herzog (Alt), Thomas Jakobs (Tenor), Florian Rosskopp (Bass), Andreas Frese und Christian Strauß (Klavier)
Leitung: Jonas Manuel Pinto
Aufnahme am 13. Februar 2016 in der Trinitatiskirche Köln

KV 626, Requiem
KV 626, Requiem, Teil I
KV 626, Requiem, Teil II
KV 626, Requiem, Teil III



KV 626 Leverkusen Städtischer Chor

Requiem: Es ist bekannt, dass Mozart mit 35 Jahren mitten über der Arbeit an diesem Werk starb, das, obwohl begonnen als Auftragswerk für einen betrügerischen Grafen, der es als sein eigenes ausgeben wollte, auf unerwartete Weise so zum Requiem für ihn selbst wurde. Eine geradezu theaterhafte Verwandlung einer Groteske in ein Drama, die die Phantasie zahlloser Autoren angeregt hat, darin Sinn zu suchen. Wenn man das nachgelassene Manuskript betrachtet, ist man erstaunt, zu sehen, dass von dem weltberühmten Werk nicht mehr als die ersten 48 Takte von Mozart in allen Stimmen fertiggestellt sind. Von allem weiteren sind außer einer Anzahl wesentlicher Linien der 1. Violinen, den instrumentalen ersten 13 Takten des „Recordare“ und dem Posaunensolo beim „Tuba mirum“ nur die Solistenparts, der Chorsatz und der Bass von seiner Hand. Vom „Lacrimosa“ existieren nur die ersten 8 Takte, vom „Amen“ 16 Takte Skizze einer Chorfuge, vom „Agnus Dei“, „Sanctus“ und „Benedictus“ gar nichts. Jedes andere Werk wäre bei so fragmentarischem Zustand verurteilt gewesen, ohne Publikum im Dunkel der Archive zu schlummern. Mozarts Requiem aber ist es gelungen - darin den Torsi Michelangelos vergleichbar -, von Anfang an bis auf den heutigen Tag zu den Spitzenwerken des künstlerischen Welterbes gezählt zu werden. Woran liegt das?
Die von seiner Hand stammenden Teile weisen eine melodische Kraft, Herbheit, innere Größe, J.S. Bachische Strenge und Konsequenz auf, die den archaisierenden Stil einer monumentalen Einfachheit, den er in der c-moll-Messe, dem „Ave verum“ und den freimaurerischen Teilen der „Zauberflöte“ gelegentlich schon anschlug, zu atemberaubender Gewalt steigern.
Helmut Breidenstein

KV 626, Requiem
Orchester: Mitglieder des Bundesjugendorchesters
Solisten: Kirstin Hasselmann (Sopran), Antje Gnida (Alt), Gary Bennett (Tenor), Michael Tews (Bass)
Leitung: Helmut Breidenstein
Live-Konzert des Städtischen Chores Leverkusen in der Friedenskirche Leverkusen Schlebusch am 1.12.2002
KV 626, Requiem
KV 626, Requiem, Satz 1
KV 626, Requiem, Satz 2
KV 626, Requiem, Satz 3
KV 626, Requiem, Satz 4
KV 626, Requiem, Satz 5
KV 626, Requiem, Satz 6
KV 626, Requiem, Satz 7
KV 626, Requiem, Satz 8
KV 626, Requiem, Satz 9
KV 626, Requiem, Satz 10
KV 626, Requiem, Satz 11
KV 626, Requiem, Satz 12



3KV 626 Herford Münster

Zur Entstehung von Mozarts Requiem 1791, Dr. Hans Detlef Hoffmann, Herford: Um Mozarts letztes Werk und seinen Tod ranken sich eine Reihe von Legenden. Besonders populär ist die Vermutung, Mozarts Konkurrent Antonio Salieri habe ihn umgebracht. Diese Theorie hat, auch wenn sie sehr gewagt ist, tatsächlich einige historische Bezüge: Mozart selbst soll auf dem Totenbett von einer Vergiftung mit aqua toffana, einer Mischung aus Arsen und Bleioxyd, gesprochen und Salieri verdächtigt haben. Dazu passend soll Salieri, der allerdings in geistiger Umnachtung endete, den Mord an seinem Rivalen gebeichtet haben. Doch ist dies nicht der einzige Erklärungsversuch für den frühen Tod des Komponisten: Man verdächtigte auch Mozarts Logenbruder Hofdemel, mit dessen Frau der Komponist eine Affäre gehabt haben soll. Dieses Gerücht nährte sich vor allem aus der Tatsache, dass Hofdemel seine Frau am Tag nach Mozarts Tod mit einem Messer attackierte und anschließend Selbstmord beging. Ebenso wollte man von einer Beziehung zwischen Mozarts Frau und Süssmayr wissen, der seinen Lehrer aus dem Weg schaffen wollte. Allein die Tatsache, dass Mozarts Todesursache nicht eindeutig geklärt werden konnte, ließ solche Legenden entstehen.

Zu den Fakten: Mozart komponierte das Requiem auf Bestellung. Im Frühsommer 1791 kam ein maskierter, in schwarz gekleideter Mann zu ihm, nannte weder seinen noch den Namen seines Auftraggebers und bestellte die Komposition. Dieser geheimnisvolle Auftritt, die dunkle Kleidung und die gewünschte Totenmesse hinterließen bei Mozart ein ungutes Gefühl. Nach Angaben seiner Frau, soll er geglaubt haben, er arbeite an seinem eigenen Requiem. Der in der Tat etwas merkwürdige Auftritt des Boten hat dabei aber einen ziemlich banalen Hintergrund.
Der Mann kam im Auftrag von Franz Graf von Walsegg-Stuppach, einem Musikliebhaber und dilettantischem Komponisten. Die Frau des Grafen war unlängst gestorben und Walsegg-Stuppach wollte ihr zu Ehren ein Requiem aufführen lassen. Des öfteren bestellte er bei anerkannten Komponisten Werke, die er dann unter eigenem Namen aufführen ließ. Aufgrund dieses geistigen Diebstahls wollte er unerkannt bleiben und lies seinen Boten anonym auftreten, wahrscheinlich handelte es sich dabei um seinen Gutsverwalter Franz Anton Leitgeb.
Mozart wollte den Auftrag zuerst nicht annehmen, doch man bot ihm ein gutes Entgelt, das er in seiner finanziell misslichen Lage nicht ausschlagen konnte. Seine Frau Constanze schätzte vor allem die Anzahlung und drängte ihren Mann zur Komposition. Noch in schwerkrankem Zustand arbeitete Mozart am Requiem, konnte es aber nicht mehr vollenden. In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 1791 starb Mozart 35jährig nach mehrmaligem, damals üblichem, Aderlass. Es gab keine offizielle Beerdigung, Mozart starb arm und wurde in einem Massengrab beigesetzt.
Constanze Mozart bat zunächst Franz Eybler, das Requiem zu vollenden. Eybler, ein von Mozart geschätzter Komponist, willigte zunächst ein, schickte die Partitur aber wenig später wieder zurück. Auch andere Musiker lehnten die Arbeit an Mozarts Fragment ab und Constanze, in Sorge, den Vorschuss des Grafen zurückzahlen zu müssen, überredete schließlich Süssmayr und verkaufte dem mysteriösen Boten später das fertige Requiem als ein komplett von Mozart komponiertes Werk. Süssmayr nutzte zum Teil die von Mozart bereits verwendetem Themen und Motive, war aber auch auf eigene musikalische Ideen angewiesen. Constanze sorgte wahrscheinlich in erster Linie für die Vollendung des Werkes, weil sie auf das Geld des Grafen angewiesen war. Bevor Walsegg-Stuppach das Requiem (erst!) am 14. Dezember 1793 unter seinem Namen aufführen konnte, hatte bereits die Uraufführung unter Mozarts Namen in Wien stattgefunden.
Der Graf soll darüber sehr verstimmt gewesen sein, konnte sich aber aufgrund seiner unehrenhaften Lage nicht beklagen. Constanze Mozart erwies sich nun als geschäftstüchtig und bot Abschriften des letzten Mozartwerkes zum Verkauf an. Das Requiem wurde schon bald zur bekanntesten sakralen Komposition Mozarts, wozu sicher auch die biographischen Umstände beigetragen haben.Fortsetzung: Entstehung von Mozarts Requiem - Der Introitus beginnt leise, mit einem blassen Streichersatz und klagenden Holzbläsern, die lediglich mit Fagotten und den seltenen Bassetthörnern - Mozarts Lieblingsinstrument! - besetzt sind. Plötzlich erklingen die Posaunen im forte und kündigen den Chor an, dessen Stimmen den beginnenden Bass imitierend nacheinander einsetzen. Der Ernst des ganzen Stückes ist von Anfang an spürbar und von besonderer Intensität. Ebenso kunstvoll wie barock ist die folgende Doppelfuge, die das Kyrie der Totenmesse bildet. Nach der Fuge, die mit einem leeren, archaisch wirkenden Klang endet, beginnt Mozart mit der Schreckensvision vom "Tag des Zorns": Die Sequenz Dies irae umfaßt insgesamt sechs Sätze und bildet den wichtigsten Teil des Requiems. Am Anfang steht das dramatische Chorstück "Dies irae", das Angst, Gewalt aber auch Gottesfurcht ausdrückt und in schnellem Tempo am Zuhörer vorbei rauscht. Weniger bedrohlich wirkt das folgende Tuba mirum, das gemäß der ersten Textzeile "Laut wird die Posaune klingen" mit einem Posaunensolo eröffnet wird. Mit dem gleichen Motiv beginnt der Bass das Quartett der Gesangssolisten. Mit einem stark artikulierten "Rex" ruft der Chor den zornigen Gott an und bittet um Gnade ("salva me"). Bevor wieder die Schrecken des Jüngsten Gerichts in den Vordergrund treten, findet der Zuhörer Frieden und Trost im Recordare. Unbarmherzig, fast brutal, klingen die tiefen Stimmen zu Anfang des Confutatis und stehen in einem starken Kontrast zu den hohen Stimmen, die mit "voca me", nur von den ersten Geigen begleitet, den Gesang der Männer für einen kurzen Moment ablösen. Das Lacrimosa, das den "Tag der Tränen" darstellt, zeigt zu Beginn eine schon im Barock gebräuchliche Figur: das Seufzermotiv. Klagend geht die Einleitung der Streicher in den sanft intonierten Chorklang über. Im Lacrimosa endet Mozarts Autograph und hier begann Süssmayr mit der Fortsetzung des Werkes.

Das Lacrimosa bildet den Abschluss der Sequenz und es folgt das Offertorium mit den Chorsätzen Domine Jesu Christe und Hostias. Im ersten der beiden Stücke begegnen wir zwei Fugen mit unkonventionellen Themen. Das erste Fugenthema ("Ne absorbeat") enthält für eine vokale Fuge ungewöhnlich große und viele Sprünge. In der zweiten Fuge ("Quam olim Abrahae") herrscht dagegen ein stark rhythmisiertes Thema. In wieweit Süssmayr auf eventuelle Skizzen Mozarts zurückgreifen konnte, ist nicht überliefert. Es ist aber wahrscheinlich, dass Mozart die Themen der Fugen noch skizziert und Süssmayr nur die Ausarbeitung übernommen hat. Nach dem Offertorium folgen die Ordinariumssätze Sanctus, Benedictus und Agnus Dei. In diesen Teilen steht das Werk nicht auf der Höhe der ersten Sätze, bildet aber immerhin eine stilistische Einheit mit ihnen und greift auf einzelne Motive zurück.

Süssmayr versuchte sicher, so wenig eigenes Material wie möglich in diesem Werk zu verwenden. Der letzte Teil, die Communio, enthält ausschließlich Mozarts Musik. Süssmayr hat die Sätze des Introitus übernommen und lediglich den liturgischen Text ausgetauscht. Noch einmal bittet der Chor für die ewige Ruhe der Verstorbenen und dass ihnen das ewige Licht ("lux aeterna") leuchten möge. So endet das Requiem also mit der Doppelfuge des Kyrie und ihrem leeren, archaischen, terzlosen Schlussakkord.

KV 626, Requiem
Orchester: Telemann Collegium Herford
Solisten: Gudrun Horst de Cuestas, Prof. Dorothea Ohly-Visarius, Nils Giebelhausen (Tenor), Klaus Pampel (Bass- Bariton)
Leitung: Stefan Kagl
Konzertmitschnitt aus dem Herforder Münster am 23.11.2008 mit dem Herforder Münsterchor
KV 626, Requiem
KV 626, Requiem, Introitus
KV 626, Requiem, Kyrie
KV 626, Requiem, Dies irae
KV 626, Requiem, Tuba mirum
KV 626, Requiem, REX TREMENDALE
KV 626, Requiem, RECORDARE
KV 626, Requiem, CONFUTATIS
KV 626, Requiem, LACRISMOS
KV 626, Requiem, DOMINE JESU
KV 626, Requiem, HOSTIAS
KV 626, Requiem, SANCTUS
KV 626, Requiem, BENDEDICTUS
KV 626, Requiem, AGNUS DEI
KV 626, Requiem, LUX AETERNA



KV 626, Requiem
Orchester: Das altstadtherbst Orchester Düsseldorf
Solisten: Ja-Young Park (Sopran), Cornelia Sander (Mezzosopran), Wolfram Wittekind (Tenor), Peter Schüler (Bariton)
Leitung: Esther Kim
Konzertmitschnitt aus der Erlöserkirche am 15.3.2009 mit Kantorei und Modernchor der Erlöserkirche
KV 626, Requiem
KV 626, Requiem, Introitus
KV 626, Requiem, Kyrie
KV 626, Requiem, Dies irae
KV 626, Requiem, Tuba mirum
KV 626, Requiem, REX TREMENDALE
KV 626, Requiem, RECORDARE
KV 626, Requiem, CONFUTATIS
KV 626, Requiem, LACRISMOS
KV 626, Requiem, DOMINE JESU
KV 626, Requiem, HOSTIAS
KV 626, Requiem, SANCTUS
KV 626, Requiem, BENDEDICTUS
KV 626, Requiem, AGNUS DEI
KV 626, Requiem, LUX AETERNA


5KV 626 Langenfeld St. Josef

Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

Mozarts Requiem ist ein im besten Sinne kirchliches und doch für seine Zeit durchaus modernes Werk. Kirchlich ist nicht allein die Verwendung liturgischer Melodien und die Anlehnung an die Formen der strengen Kontrapunktik, sondern vor allem das Streben, von Bekanntem, Typischem auszugehen und es erst durch die Behandlung ins Individuelle zu erheben, ferner die knappe Sachlichkeit, die ohne alle Abschweifungen in die reine Musikfreudigkeit stets Dienerin des Wortes bleibt.
Es war ganz verfehlt, wenn manche Kritiker, offenbar unter dem Eindruck der Entstehungsgeschichte des Werkes, ihm Mangel an Einheitlichkeit vorwarfen. Dem widersprechen schon die durchgehenden melodisch-harmonischen Typen, ganz abgesehen von der Einheit der Stimmung. Immer wieder tritt uns aus der Partitur der Dramatiker Mozart entgegen, nicht im Sinne des Opernkomponisten, sondern in dem Sinne, wie auch Bach in seinen Vokalwerken gelegentlich den Dramatiker hervorkehren.

Mozart hatte recht mit seinem Wort, dass er dieses Requiem für sich schreibe, in weit tieferem Sinne, als es ursprünglich gemeint war: es ist sein eigenstes persönliches Bekenntnis von den letzten Dingen, und die Bestellung von außen gab nur den äußeren Anlass dazu, dass es sich von seiner Seele loslöste. Dass er mit diesem Requiem seiner Zeit aus dem Herzen gesprochen hatte, beweist sein ungeheurer, bis heute stetig wachsender Erfolg.

Das von Mozart unvollendet gebliebene Requiem stellte für seine Frau Constanze ein großes Problem dar. Da der unbekannte Auftraggeber schon ein Honorar bezahlt hatte, war ihre Angst groß, er könne dieses, nach Mozarts Ableben, zurückfordern. So kam sie mit ihren Ratgebern auf den Gedanken, das Vorliegende ergänzen zu lassen und so den Auftraggeber zufrieden zu stellen. Mehrere Musiker hatten sich daraufhin um eine Fertigstellung bemüht, jedoch dann abgelehnt. Schließlich ging der Auftrag an Süßmayer. Er war in letzter Zeit Mozarts Schüler in der Komposition gewesen und hatte die jeweils fertigen Stücke des Requiems mit ihm durchgenommen.
Er war von dem Meister genau in den Gang des Werkes, namentlich was die Instrumentation anlangte, eingeweiht worden, so dass er bei Mozarts bekannter Arbeitsweise wohl ein Bild von dessen Absichten gewinnen konnte, soweit das überhaupt möglich war.

Zahlreiche musikwissenschaftliche Studien sind angestrengt worden, um die Frage aufzuklären, wie es zur Vollendung des Requiems kam. Beantworten lässt sich diese Frage nicht genau. Wie dem auch sei, nehmen wir es als ein großes, reifes Werk von Mozart an.

KV 626, Requiem
Orchester: Mitglieder der Bergischen Symphoniker
Solisten: Elisa Rabanus (Sopran), Sophia Bart (Alt), Thomas Iwe (Tenor), Bernhard Hüsgen (Bass)
Leitung: Mathias Krella
Konzertmitschnitt aus der St. Josef Kirche, Langenfeld (Rhld) am 12.12.2009
KV 626, Requiem
KV 626, Requiem, Introitus
KV 626, Requiem, Kyrie
KV 626, Requiem, Dies irae
KV 626, Requiem, Tuba mirum
KV 626, Requiem, REX TREMENDALE
KV 626, Requiem, RECORDARE
KV 626, Requiem, CONFUTATIS
KV 626, Requiem, LACRISMOS
KV 626, Requiem, DOMINE JESU
KV 626, Requiem, HOSTIAS
KV 626, Requiem, SANCTUS
KV 626, Requiem, BENDEDICTUS
KV 626, Requiem, AGNUS DEI
KV 626, Requiem, Communio



KV 626, Requiem
(in der Fassung „Süßmayr remade“ von Pierre-Henri Dutron (2016)
Junger Chor und Jugendchor St. Columban
Sinfonietta Rhenania
Solo: Alexa Vogel (Sopran), Kathrin Walder (Mezzosopran), Sören Richter (Tenor), Torsten Frisch (Bariton)
Musiklaische Leitung: Marita Hasenmüller
Aufnahme am 16. & 17. März 2024 in der Liebfrauenkirche Ravensburg & St. Columban Kirche Friedrichshaven

KV 626, Requiem