Karlsburg Durlach und Stephanssaal Karlsruhe

Am Konzertwochenende der 6. Sinfonietta der Jungen Philharmonie Karlsruhe feierte Deutschland das Jubiläum des Falls der Berliner Mauer im Jahr 1989. 30 Jahre Mauerfall stehen für Umbruch und Neubeginn, für eine gewaltfreie Revolution, für Entgrenzung und Hoffnung.
Die Junge Philharmonie Karlsruhe hat sich als Ziel gesetzt, ungewöhnliche Wege zu gehen, Programme zu entwerfen, die sich abseits des konventionellen Konzertbetriebs bewegen. Die Musiker wollen das Innovative im Alten und das Traditionsbewusste im Neuen erforschen.

Zum Auftakt des Konzerts spielten die Streicher des Orchesters die Sinfonietta Nr. 2 op. 74 für Streicher und Pauke von Mieczys?aw Weinberg (1919-1996). Als sowjetischer Komponist polnisch-jüdischer Abstammung, floh Weinberg vor den Nationalsozialisten von Warschau über Minsk und Taschkent nach Moskau. Flucht, Krieg und Heimatverlust blieben zeitlebens Themen, mit denen er sich kompositorisch auseinandersetzte. Darauf folgte die Uraufführung von Kathrin A. Denners (*1986) Konzert für Blockflöte und Orchester (Solistin: Carolin Elena Fischer). Die junge Karlsruher Komponistin ist mehrfach prämiert, wobei der Deutsche Musikautorenpreis der GEMA 2018 hier besonders hervorgehoben werden muss. Denner sieht ihre Aufgabe als Komponistin darin, ihre Begabung zu nutzen, um ihre Musik, sich selbst und die Gesellschaft zu hinterfragen. Letztlich sei Komponieren ein Sich-auseinander-setzen mit Klängen, akustischen Reizen und der gegenwärtigen Zeit. Den Abschluss der ersten Konzerthäfte bildeten Bernd Alois Zimmermanns (1918-1970) Rheinische Kirmestänze für 13 Bläser (1962). Zimmermann sah sich als betont literarischer und politisch motivierter Komponist, der gegen Unrecht und Unterdrückung ankomponierte. Seine Anti-Kriegs- Oper Die Soldaten und sein Trompetenkonzert Nobody knows the trouble I see sind die bedeutendsten Vertreter. Daneben kann man Zimmermann auch als Meister des (häufig schwarzen) musikalischen Humors sehen. Mit seinen Rheinischen Kirmestänzen zeigt er den parodistischen Charakter dorfmusikantischer Ungeschicklichkeit.
In der zweiten Konzerthälfte gab das Orchester W.A. Mozarts Sinfonie in C-Dur KV 338 Raum. Als letzte in Salzburg komponierte und wohl erste in Wien aufgeführte Sinfonie trägt sie in sich eine Geschichte von Umbruch und Neubeginn.

Die Bilder zeigen den gleichen Konzertvortrag vom 9. November 2019 in der Karlsburg Durlach.



KV 338, Sinfonie Nr. 34 C-Dur
Orchester: Junge Philharmonie Karlsruhe
Leitung: Christoph JK Müller
Aufnahme am 10. November 2019 im Stephanssaal Karlsruhe

KV 338, Sinfonie Nr. 34 C-Dur
KV 338, Sinfonie Nr. 34 C-Dur, Allegro vivace
KV 338, Sinfonie Nr. 34 C-Dur, Andante di molto
KV 338, Sinfonie Nr. 34 C-Dur, Finale. Allegro vivace

KV 338 Karlsburg Durlach und Stephanssaal Karlsruhe

Neben W.A. Mozarts letzten drei großen Sinfonien und der Prager, Linzer und Haffner fristet die Sinfonie in C-Dur KV 338 ein Schattendasein. Im Laufe der Jahre 1780 und 1781 wurde Mozarts Verhältnis zu seinem Arbeitgeber, dem Salzburger Erzbischof, immer angespannter bis es letztlich zum Bruch kam und Mozart als erfolgreicher freischaffender Musiker ganz und gar nach Wien umsiedelte. Die Sinfonie KV 338 bildet hier eine besondere Brücke, denn sie ist die letzte in Salzburg komponierte und die wohl erste in Wien aufgeführte Sinfonie. Und fürwahr zeigt der feierlich kraftvolle Beginn womöglich bereits die Veränderungen in Mozarts Leben an. Im Verlauf überrascht diese Sinfonie immer wieder durch flinke Harmonie- und Dynamikwechsel. Mozarts jugendliche 24 Jahre spürt man vor allem noch im Schlusssatz, der diese sinfonische Perle abschließt.


Junge Philharmonie Karlsruhe

Die Junge Philharmonie Karlsruhe ist ein von jungen Musikern gegründeter und geführter Verein aus dem Raum Karlsruhe. Das Orchester trifft sich zweimal im Jahr, um ein Konzertprogramm zu erarbeiten und aufzuführen.
Neben dem klassischen sinfonischen Repertoire liegt unser Fokus darauf, unbekannte und selten gespielte Werke in Karlsruhe und Umgebung zur Aufführung zu bringen. Dabei wird jungen Dirigenten, Solisten und Komponisten eine Plattform geboten, die es ihnen ermöglicht, ihre kreativen Ideen in die Tat umzusetzen.
In unserem Orchester musizieren (Musik-) Studierende, SchülerInnen und ambitionierte Hobbymusiker aus der Region Karlsruhe und darüber hinaus. Wir freuen uns sogar über eine steigende Zahl internationaler Mitspieler, was unsere Projekte zu einem interkulturellen Erlebnis werden lässt.
Ein weiteres Anliegen ist es uns, das kulturelle Angebot der Stadt, in der unsere Wurzeln liegen, nachhaltig zu bereichern. Dabei beruht jede Arbeit des Vereins auf der ehrenamtlichen Tätigkeit seiner Mitglieder.
Die Junge Philharmonie Karlsruhe ist seit Juni 2009 in Karlsruhe als Verein eingetragen und als gemeinnützige Organisation anerkannt.


Christoph JK Müller

Seit der Spielzeit 2018/19 ist Christoph JK Müller Kapellmeister und musikalischer Leiter der Jungen Oper am Theater Dortmund. Dort leitet er Vorstellungen von Der Barbier von Sevilla, West Side Story, Schwanensee, Das Land des Lächelns, Echnaton, Wo die Wilden Kerle wohnen und Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat.
Er studierte in Stuttgart, Karlsruhe und Lissabon Schulmusik, Klavier, Jazz und Orchesterdirigieren. Im Anschluss daran wurde er als Assistent der Chordirektion an der Staatsoper Stuttgart engagiert, wo er auch verschiedene Chorpartien einstudierte. Gleichzeitig zu seinem Engagement an der Oper war er Dirigent des Paulusorchesters Stuttgart und der Orchestervereinigung Sindelfingen, mit denen er u.a. Beethovens drittes Klavierkonzert vom Flügel aus leitete.
Neben seinen Tätigkeiten als Dirigent und Pianist arrangiert Christoph JK Müller regelmäßig für den Carus-Verlag und ist begeisterter Improvisator. Letzteres konnte er u.a. beim Bundeswettbewerb „Schulpraktisches Klavierspiel“ 2012 in Weimar beweisen, bei dem er mit dem Publikums- und dem Gesamtpreis ausgezeichnet wurde.