Zeughaus Neuss

Das Neusser Kammerorchester unter Joachim Neugart hatte zum 55. Konzert Junger Künster eingeladen. Vor 54 Jahren gab es das erste Konzert des NKO-Gründers Professor Wilhelm Schepping. Im Konzertabend wurde gespielt: Ludwig van Beethoven, Alexander Gödicke, Carl Philipp Emanuel Bach. Die ebenfalls gespielten Mozartwerke sind hier wiedergeben; die Ouverture zur Oper "La clemenza di Tito" und das Klavierkonzert c-Moll mit Solistin Sandra Urba.



KV 621, Ouverture zu „La clemenza di Tito”
Orchester: Neusser Kammerorchester
Leitung: Joachim Neugart
Aufnahme am 1. Dezember 2019 im Zeughaus Neuss

KV 621, Ouverture zu „La clemenza di Tito”, Allegro


KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll
Orchester: Neusser Kammerorchester
Solisten: Sandra Urba (Klavier)
Leitung: Joachim Neugart
Aufnahme am 1. Dezember 2019 im Zeughaus Neuss

KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll
KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll, Allegro
KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll, Larghetto
KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll, Allegretto

KV 621 Zeughaus Neuss

Zur Krönung Kaiser Leopolds II. 1791 in Prag zum König von Böhmen erhält Wolfgang Amadeus Mozart den Auftrag für die Krönungsoper – übrigens erst nachdem Salieri abgelehnt hat. Die Arbeit an der Zauberflöte und am Requiem von Mozart unterbrechend, komponiert Mozart „La clemenza di Tito“ (Die Milde des Titus).
Die Geschichte spielt im antiken Rom. Vitellia hasst den römischen Imperator Tito, weil er sie nicht zur Gattin erwählt hat. Denn Tito will die Schwester seines Freundes Sesto, Servilia, heiraten. Sesto jedoch begehrt Vitellia, die ihm ihre Liebe für den Tod Titos verspricht. Servilia weist Tito ab, der sich daraufhin doch um Vitellia bemüht. Doch das Attentat ist schon in Auftrag gegeben, der Anschlag misslingt. Vitellia gesteht, die Initiatorin gewesen zu sein, Sesto wird zum Tod verurteilt. In einem tiefen Konflikt zwischen Freundschaft und Staatsräson erkennt Tito die Problematik, in der sich jeder Herrscher befindet. Er entscheidet sich, Milde walten zu lassen und begnadigt Sesto und Vitellia.
Der Stoff war bereits viele Male vertont worden, doch es wäre nicht Mozart, hätte er daraus nicht etwas völlig Neues gemacht. Indem er den römischen Kaiser letztendlich als Menschenfreund darstellt, legt er Leopold II. ähnliche Tugenden nahe.
Mozart schreibt diese „opera seria“ unter großem Zeitdruck und in depressiver Verfassung. Hinzu kommt Todesangst, noch geschürt durch den geheimnisvollen Auftrag zum Requiem. Mozart gelang mit „La clemenza di Tito“ kein großes Operndrama wie „Don Giovanni“ oder „Figaros Hochzeit“, dennoch enthält das Werk wunderbare Arien. Sie wurde zur letzten Oper von Mozart – viel Lebenszeit blieb ihm nicht mehr.
Gleich die Ouvertüre schlägt mit ihren ersten acht Takten den bekannten festlich-pathetischen Ton der opera seria an, den wir genau in derselben Weise schon im „Idomeneo“ antrafen. Aber während dort dem feierlichen Dreiklangsaufstieg ein Bild subjektivster Leidenschaft gefolgt war, das deutlich zeigte, wie ernst es dem damaligen Mozart noch mit der opera seria war, mündet er hier in einen weit unpersönlicher gehaltenen Hauptgedanken aus, dessen Hauptmerkmal der wirkungsvolle Wechsel von f und p ist. Die Wiederholung des Anfangs geschieht variiert in Form eines Mannheimer Crescendos, von dem sich Mozart hier eine besondere Wirkung versprach. Das kantable, aber gleichfalls nicht besonders originelle Seitenthema, das nach französischer Trioart eingeführt wird, spielt im Ganzen nur eine Episodenrolle und wird gleich von dem obengenannten wieder verdrängt. Die Durchführung geht, wie im ersten Satz der C-Dur-Sinfonie, gleich nach Es-Dur, doch ohne die dortige geniale Kürze, sondern mit einer eingeschobenen, neuen Unisonofigur. Dann folgt eine mit Kontrapunktik gewürzte Verarbeitung jenes Hauptthemas ganz im Stile des letzten Mozart, nur dass das dabei entfachte Pathos auch hier einen entschieden kühleren Eindruck hinterlässt; erst gegen den Schluss werden die Akzente schärfer, aber auch hier ist die grelle Dynamik charakteristisch. Die Reprise stellt Haupt- und Seitenthema um und erreicht dadurch die beabsichtigte Steigerung des festlichen Glanzes, an dem sich das ganze Orchester beteiligt. Immer mächtiger entfaltet sieh dabei das neapolitanische Anfangsmotiv, als könnte der Prunkcharakter der opera seria gar nicht nachdrücklich genug betont werden.
Text: Joachim Neugart


KV 491 Zeughaus Neuss

Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 491 entstand 1786 parallel zur Komposition des Figaro. Es bildet den Abschluss des großartigen Klavierkonzertoeuvres und ragt in vielfacher Hinsicht aus diesem hinaus: Erstens steht es neben dem Konzert d-Moll KV 466 als einziges in einer Molltonart, hat zweitens als einziges einen Kopfsatz im Dreivierteltakt, drittens als eines von wenigen einen Variationensatz als Finale und ist viertens das am größten besetzte Instrumentalwerk Mozarts überhaupt. Schließlich zeigt sich in diesem Konzert eine Tendenz, die Mozart deutlich als Wegbereiter der Romantik zeigt: der zyklische Gedanke, der die drei Sätze zu einem sinnvollen Ganzen fügt, das jedoch noch ohne eine motivisch-thematische Verzahnung eines Beethoven oder Liszt auskommt. Man wird Mozart natürlich mit irgendwelchen aufgezwungenen Programmen nicht gerecht, und doch scheint es mir nicht illegitim, die immense Wirkung auf nachfolgende Musikergenerationen in dem zu suchen, was seit Beethoven das Selbstverständnis des Komponisten geprägt hat und immer noch prägt: Musik als einzigartiger Ausdruck einer einzigartigen Persönlichkeit. Mozart macht hier das Klavier zur Stimme des Individuums, seines Ringens mit der Welt, seiner Verstrickungen im Guten wie im Bösen. Das Soloinstrument als Persönlichkeit und Protagonist. Hierdurch wirkt er prägend auf die große Instrumentalmusik des 19. und 20. Jahrhunderts, auf Schubert, Mahler usw. . Das hört man schon der großangelegten Orchesterexposition des ersten Satzes an, deren Aufwallungen und bohrender Chromatik das Soloklavier mit einer beinahe unbegleiteten traurigen Geste sich gewissermaßen nackt und ungeschützt entgegenstellt, um im Laufe des Satzes über die vier bzw. fünf Hauptgedanken des Satzes in Dialog zu treten, und das in den Strudel gerät und versucht, einigermaßen heil davonzukommen. Dabei ist es auffällig und für Mozarts grundsätzlich ja eher optimistischen Charakter bezeichnend, dass die solistisch dominierten Passagen meist oder zumindest häufiger in Durkadenzen enden, während die Orchestertutti letztlich in diesem ersten Satz meist den Weg in düsterere Gefilde einschlagen und für den resignativen Schluss des Satzes verantwortlich sind. Zwischen diesem und dem teilweise düsteren Schlusssatz steht der mitunter ostentativ-naive Mittelsatz mit seinem an Schlichtheit kaum zu überbietenden Hauptthema. Im Kontext der Ecksätze erlebt man eine heile Welt, die beinahe zu schön ist, um wahr zu sein. Und in der Tat: Anders als im Mollkonzert KV 466 haftet dem Satz bereits etwas Zitathaftes an, ist weniger Ermutigung als Erinnerung. Mit minimalen Mitteln wird angedeutet, was in der Romantik zum festen Bestandteil wird und in der Posthornepisode der 3. Sinfonie von Gustav Mahler seinen Höhepunkt findet: die Darstellung einer idealen Gegenwelt. Dass diese eher in der Vergangenheit liegt als in einer utopischen Zukunft, deuten die fast plakativ simple Achtelbegleitung, die primitive Kadenzharmonik, die schlichte Dreiklangsmelodik des Nachsatzes und der kleine Sechzehntelschlenker am Ende des Vordersatzes an, der schon in Mozarts Zeit archaisch und überholt gewirkt haben muss. Nach diesem Idyll wirkt sowohl die Variationenform als auch das marschmäßig-verhangene Thema selbst umso unerbittlicher. Mit schönster Symmetrie greift es die Marschanleihen des verklingenden Kopfsatzes auf und, als sei der Mittelsatz gar nicht gewesen, macht es weiter in dem düsteren Treiben. Und auch wenn der Tonfall nicht ins dramatisch Exaltierte kippt, so ist doch die relativ strengere Variationenform fast noch beklemmender in ihrer Unausweichlichkeit. Zwar versuchen Klavier und Orchester durch Nebenthemen, Umdeutungen und Aufhellungen des Materials dem Unvermeidlichen zu entkommen, aber eine Lösung im Sinne des per-aspera-ad-astra-Prinzips bleibt Beethoven in seinem dritten Klavierkonzert vorbehalten. Wo Beethoven ein furioses Finale durch den Wechsel nach C-Dur und in den 6/8-Takt schafft, bedeutet bei Mozart der Wechsel in den 6/8-Takt bei gleichzeitiger Rückkehr nach c-Moll eine letzte Eskalation, eine letzte Atemlosigkeit vor dem finalen Versinken.
Text: Michael Köhne